Ein bürgerliches Trommelfeuer, Rückzüge in die ideologischen Schützengräben und das Ende der Friedensdividende: Mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist die Schweizer Armee ins Zentrum der politischen Debatte in Bern gerückt.
Der Nationalrat hat sich heute über die «Armeebotschaft» gebeugt – ein Dossier, das schon immer gewichtig war. Seit Ende des Kalten Krieges war es aber vor allem das Papier, das schwer wog. Die Linke stellte gar die Sinnfrage hinter der «bis auf die Zähne bewaffneten Neutralität» – und der Armee an sich.
SVP erstaunt, SP gerührt
Als fast schon historisch könnte man angesichts dessen die heutige Debatte im Nationalrat bezeichnen: Die Armee freute sich über Rückendeckung bis ins linke Lager. «Wir können es nicht schönreden. Der Krieg ist zurück in Europa», sagte die Sozialdemokratin Priska Seiler Graf.
Die SVP reagierte demonstrativ erstaunt. Mauro Tuena erkundigte sich, ob die SP nun auch erwäge, die Forderung nach der Abschaffung der Armee aus dem Parteiprogramm zu streichen.
Seiler Graf zeigte sich «gerührt» vom plötzlichen Interesse am eigenen Programm. Und bekräftigte, dass die SP weiter von einer Welt ohne Armeen träume. «Dass der Zeitpunkt dafür nicht da ist, ist aber allen klar.»
Im Rat herrschte weithin Einigkeit: Die Schweiz braucht in diesen ungewissen Zeiten eine schlagkräftige Armee. Bei der Frage, für welche Gefahren sie sich rüsten soll, war es mit der Einigkeit aber vorbei.
Die GLP sprach sich dafür aus, sich gegen Cyberangriffe, Desinformation, Terror und hybride Kriegsführung zu wappnen. Zudem müsse weiter Schweizer Geld in krisengeplagte Länder fliessen: Denn Stabilität dort trage zur Sicherheit bei uns bei.
Die Grüne Partei sekundierte. Sie übte allerdings als einzige Partei Generalkritik an der stärkeren Alimentierung der Armee.
Grüne wollen Volksabstimmung
Die einseitige Ausrichtung auf Verteidigungsfähigkeiten sei verfehlt, fand Marionna Schlatter. Und forderte eine Volksabstimmung über die Milliarden-Aufstockung für die Armee: «Haben Sie den Mut, die beinahe dreissig Milliarden Franken der Bevölkerung vorzulegen?»
FDP-Nationalrat Heinz Theiler schwörte Politik und Volk auf Wehrhaftigkeit ein. Die Schweiz müsse angesichts der düsteren geopolitischen Lage nach aussen zeigen, dass sie sich verteidigen könne.
Der Ständerat sowie SVP, FDP und Mitte möchten bis 2028 vier Milliarden Franken mehr für die Armee ausgeben als vom Bundesrat beantragt. «Unser Land braucht mehr Mittel für die Sicherheit der Bevölkerung», bekräftigte Mitte-Mann Martin Candinas. Woher das Geld kommen soll, ist allerdings umstritten.
Candinas warb im Rat für eine «kreative und schuldenbremsenkonforme Lösung» der zuständigen Kommission: Die Einrichtung eines Fonds, um die zusätzlichen Milliarden für die Armee zu stemmen.
Mehr Geld – aber woher?
Bei dieser Art der Gegenfinanzierung dürfte aber auch die Mitte nicht geschlossen abstimmen. Aus den anderen Parteien gibt es ohnehin Gegenwind. Der Bündner Nationalrat hofft auf einen «konstruktiven Dialog». Ein anderer Vorschlag will die Gelder andernorts kompensieren – etwa bei der internationalen Zusammenarbeit.
Wie konstruktiv der Dialog wird, wird sich am Donnerstag zeigen: Dann befindet die grosse Kammer darüber, ob und wie der Armee schneller Geld zur Verfügung gestellt werden soll.