Der Bundesrat hat auf der Basis von sinkenden Infektionszahlen eine schrittweise Lockerung der Corona-Massnahmen vorgeschlagen. Über mögliche Risiken haben wir mit dem SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis gesprochen.
SRF News: Der Bundesrat hat einen schrittweisen Öffnungsplan vorgestellt. Ist das sinnvoll mit Blick auf die Fallzahlen, auch wenn man an die Virus-Mutationen denkt?
Daniel Theis: Seit bald zwei Monaten sinken die offiziellen Fallzahlen und seit rund einem Monat relativ langsam und gleichmässig. Mit den aktuellen Massnahmen hätte man aber hoffen können, dass die Zahlen gerade in den letzten zwei Wochen schneller sinken. Es ist unklar, warum dies nicht eingetreten ist.
Es könnte an den ansteckenderen Virusvarianten liegen. Aber auch daran, dass die Massnahmen seit dem 18. Januar (Homeoffice, 5-Personen-Regel, Ladenschliessungen) nicht ganz so wirksam waren wie erhofft. Dass ab dem 1. März die Läden wieder aufmachen sollen, beinhaltet deshalb wohl kein grosses Risiko. Mit Masken, Abstand und Personenbeschränkungen sollte sich der Detailhandel relativ sicher betreiben lassen. Dass jetzt nur schrittweise geöffnet wird, erhöht die Chance, dass uns die Kontrolle nicht entgleitet.
Restaurant und Bars jetzt zu öffnen, wäre ein Risiko gewesen, weil immer noch unklar ist, wie stark sich die neuen Virusvarianten auf die Ansteckungen auswirken.
Was passiert, wenn die Fallzahlen wegen der Lockerungen wieder steigen sollten?
Es liesse sich wohl kaum herausfinden, warum der Anstieg passiert. Das gehört ja genau zu den Schwierigkeiten in dieser Pandemie. Ansteckungen finden dort statt, wo sich Menschen treffen, nahe beieinander sind und ohne Schutzmaske miteinander reden. Das ist ja auch der Grund, warum Bars und Restaurants geschlossen sind – und vorderhand noch bleiben. Sie jetzt zu öffnen, wäre ein Risiko gewesen, weil immer noch unklar ist, wie stark sich die neuen Virusvarianten auf die Ansteckungen auswirken.
Welches sind die Kriterien, nach denen es weitere Öffnungen geben kann?
Es soll keine Automatismen geben, aber der Bund will sich an der Reproduktionszahl «R» orientieren, an der Auslastung der Spitäler und an den Fallzahlen. Das ist im Moment sinnvoll.
Mittelfristig wird man sich aber wohl immer weniger auf die Fallzahlen stützen, weil sie nur für sich allein betrachtet irgendwann nicht mehr die relevante Grösse sind. Die Schwere der Epidemie in der Schweiz hängt vielmehr davon ab, wie stark die angesteckten Personen effektiv krank werden und wie hoch ihre Risiken sind für schwere Krankheitsverläufe oder Tod. Veränderungen am Virus helfen uns dabei möglicherweise mit der Zeit. Immunologen gehen davon aus, dass SARS-CoV-2 mit der Zeit weniger gefährlich wird. Vor allem aber werden sich die Impfungen auswirken. Zusammen mit dem Frühlings- und Sommerwetter sollte das dann die spürbare Entlastung bringen, auf die wir alle so sehr hoffen.
Wie gross ist das Risiko, wenn man Jugendliche wieder mehr machen lässt?
Die unter 18-Jährigen haben für sich selber nur ein geringes Risiko für Komplikationen. Viele erkranken auch ohne Symptome. Bei den im Januar und Februar eingerückten Rekruten, die zwar älter als 18 Jahre sind, hat man vier, respektive drei Prozent asymptomatische Fälle entdeckt. Bei jüngeren Menschen könnten es sogar noch mehr sein. Neben dem individuellen Risiko für junge Menschen ist aber auch abzuwägen, wie stark sie das Virus in andere Altersgruppen tragen können, etwa über die Familie. Da besteht, gerade bei älteren Jugendlichen, durchaus ein gewisses Risiko.
Das Gespräch führte Katharina Locher.