Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat eine Studie zur sogenannten Luftverfrachtung von Pestiziden gemacht. Auf vier biologisch bewirtschafteten Betrieben wurden 2019 während rund einem halben Jahr Pestizide gemessen, die auf konventionellen Höfen eingesetzt und von dort weggeweht wurden.
Die chemisch-synthetischen Substanzen verbleiben nicht an ihrem Einsatzort, sondern werden zum Teil mehrere Kilometer weit getragen.
Insgesamt wurden 25 Pestizide gegen Pilze, Unkraut oder Insekten nachgewiesen, darunter gemäss Greenpeace auch problematische Stoffe. Alexandra Gavilano, Leiterin Landwirtschaft bei Greenpeace Schweiz, stellt fest: «Die chemisch-synthetischen Substanzen verbleiben nicht an ihrem Einsatzort, sondern werden zum Teil mehrere Kilometer weit getragen.» Die Luftverfrachtung von Pestiziden stellt für Greenpeace auch ein «erhebliches Gesundheitsrisiko» und eine Gefahr für die Umwelt dar.
Zur aktuellen Studie von Greenpeace:
Wirtschaftliche Gefahr für Bio-Bauern
Für die betroffenen Bio-Betriebe bedeuten diese Pestizide eine wirtschaftliche Gefahr, sagt Greenpeace. David Herrmann, Medienverantwortlicher von Bio Suisse, bestätigt dies: «Die Folgen können im Einzelfall dramatisch sein. Wenn die Grenzwerte, die wir festgelegt haben, überschritten werden, müssen die Bio-Bauern ihre Produkte als konventionelle Produkte verkaufen.» Natürlich zu deutlich tieferen Preisen.
Wenn die Grenzwerte, die wir festgelegt haben, überschritten werden, müssen die Bio-Bauern ihre Produkte als konventionelle Produkte verkaufen.
Greenpeace fordert aufgrund ihrer Messungen ein nationales Monitoring, das ständig erfasst, wie Pestizide über die Luft verteilt werden. Es brauche auch Studien darüber, ob Krankheiten wie Parkinson oder amyotrophe Lateralsklerose (ALS) in Regionen mit hohem Pestizid-Einsatz überdurchschnittlich oft vorkommen. Weiter sollen Bio-Bauern, die ihre Waren abwerten müssen, für den finanziellen Verlust entschädigt werden.
Das Bundesamt für Landwirtschaft sagt, das Phänomen der Luftverfrachtung sei bekannt und es gebe bereits Massnahmen: «Wo nötig, werden deshalb für die Verwendung der betroffenen Produkte Sicherheitsabstände festgelegt, damit Siedlungsgebiete, Fliessgewässer und so weiter nicht gefährdet werden.» Im Rahmen der neuen Agrarpolitik AP22+ wolle der Bundesrat zudem eine generelle Abdriftbegrenzung einführen, «unabhängig von den verwendeten Produkten und der Lage der Parzelle».
Wo nötig werden deshalb für die Verwendung der betroffenen Produkte Sicherheitsabstände festgelegt, damit Siedlungsgebiete, Fliessgewässer und so weiter nicht gefährdet werden.
Lucius Tamm vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) weist allerdings darauf hin, dass es aus den neuen Studien eine wichtige Erkenntnis gibt: «Neu ist, dass man unterschätzt hat, dass Pestizide relativ weiträumig verfrachtet werden.»
«Nachweis allein sagt noch nichts aus»
Zur Aussage von Greenpeace, dass die Luftverfrachtung von Pestiziden gefährlich sei für Mensch und Umwelt, schreibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen: «Der Nachweis einer Substanz sagt allein noch nichts über allfällige schädliche Auswirkungen aus.» Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln würden die Risiken für Anwohnerinnen und Anwohner berücksichtigt. Die angewandte Methode gewährleiste einen hohen Gesundheitsschutz.
Lucius Tamm vom FiBL sieht dies weniger rosig. Man wisse noch zu wenig darüber, was all diese Pestizide für die Bevölkerung für Folgen haben: «Aber man macht sich zunehmend Sorgen über die Wirkung von Cocktails, also von Mehrfachrückständen, auch wenn sie in sehr tiefen Konzentrationen vorkommen.» Deshalb laufen dazu in der Schweiz und der EU verschiedene Studien. Auch der Bund lässt aktuell die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln in der Luft und im Wasser messen. Resultate sollen 2021 vorliegen.