Nach dem Tessiner Ja zum Inländervorrang folgten Anfang Woche harsche Reaktionen aus Italien. Der italienische Aussenminister Paolo Gentiloni warnte davor, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU aufs Spiel zu setzen. Er räumte aber zugleich ein, dass die Tessiner Abstimmung vorerst ohne «praktische Konsequenzen» bleibe.
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Schärfer tönte es dagegen aus der angrenzenden Lombardei: Das Tessin habe dafür gestimmt, «zehntausenden lombardischen Grenzgängern» den Zugang zu verweigern, sagte der Präsident der Region Lombardei, Roberto Maroni. Noch diese Woche will die Lombardei laut Maroni «geeignete Gegenmassnahmen» vorbereiten, um die Rechte der Arbeiter zu verteidigen.
Jetzt traf sich der Tessiner Regierungschef Paolo Beltraminelli in Brüssel mit dem italienischen EU-Botschafter. EU-Korrespondent Oliver Washington hat Beltraminelli in Brüssel getroffen.
SRF News: Wie haben sie dem Botschafter das Abstimmungsresultat erklärt?
Paolo Beltraminelli: Ich sagte, dass sich seit der Zustimmung zur Masseneinwanderungsinitiative vom 9. Februar 2014 praktisch nichts geändert hat in der Schweiz, weil wir noch keine Lösung für die Umsetzung gefunden haben. Im Tessin hätten manche Leute Angst um ihre Arbeitsstelle und ihre Löhne. Diese beiden Probleme hätten zum Abstimmungsresultat geführt.
Der Regierungschef der Lombardei, Roberto Maroni, hat mit Gegenmassnahmen gedroht. Hat der italienische EU-Botschafter gesagt, wie diese aussehen könnten?
Nein, ich habe selber mit Maroni gesprochen. Natürlich musste er in seiner Rolle als Gouverneur seinen Stimmbürgern etwas sagen. Das ist ein Spiel. Wir werden uns in den nächsten Tagen treffen. Bestimmt hat die Abstimmung vom Sonntag nicht unmittelbare Konsequenzen, aber die Problematik bleibt bestehen.
«Natürlich sind wir stolze Schweizer.»
Von Seiten der EU-Kommission hiess es, dass der Entscheid des Tessiner Volks die grundsätzlichen Gespräche zwischen der EU und der Schweiz nicht einfacher gemacht hätten. Lässt Sie das kalt?
Nein, natürlich sind wir stolze Schweizer, und wir wollen, dass die Schweiz eine vernünftige Lösung findet. Aber ich darf den Volksentscheid nicht infrage stellen. Wenn die Stimmung im Volk so ist, müssen wir diese Probleme anpacken und nicht nur sagen, dass wir vielleicht eine Lösung finden werden. In diesem Sinn ist die Tessiner Botschaft an die Schweiz: Achtung, was bei uns passiert, kann nächstens auch in anderen Kantonen passieren!
Das heisst, es ist vor allem eine innenpolitische Botschaft an die nationale Politik: Macht endlich etwas?
Ja, macht endlich etwas – und kümmert euch um das Tessin! Denn die Probleme des Lohndumpings und der Arbeitsplatzsicherheit sind sehr wichtig.
Das Gespräch führte Oliver Washington.