«Wir haben wöchentlich Anfragen wegen Lieferschwierigkeiten und müssen uns um Alternativen kümmern», erklärt Severine Dziergwa. Dziergwa ist Teamleiterin der Interventionellen Radiologie am Unispital Basel. Für viele minimalinvasiven Eingriffe werden beispielsweise Katheter benötigt.
Doch diese und viele weitere Produkte seien immer schwieriger zu bekommen. «Es bedeutet einen sehr grossen Aufwand, um an andere Produkte zu kommen. Und es braucht eine hohe Flexibilität der Mitarbeitenden», so Dziergwa.
Verschärfte EU-Regulierung
Hauptgrund für den Mangel: die Medical Device Regulation, kurz MDR, eingeführt von der EU im Jahr 2017 als Reaktion auf mangelhafte Brustimplantate. Sie soll die Patientensicherheit erhöhen. Deshalb müssen alle – auch die bereits zugelassenen – Medizinprodukte neu geprüft werden.
Erschwerend kommt hinzu: Es gibt in der EU weniger Prüfstellen, die Wartezeit für eine Zulassung erhöht sich deshalb massiv.
Schweizer Firmen weichen nach Nordamerika aus
Die neuen Regelungen der EU haben auch Auswirkungen auf Schweizer Medtech-Firmen. Zum Beispiel die Stimit AG, ein Start-up, welches mit seinem neuartigen Beatmungsgerät die künstliche Beatmung von Patienten auf der Intensivstation revolutionieren will. Das Produkt wurde in der Schweiz entwickelt, die ersten klinischen Studien wurden hier gemacht, auch hergestellt wird es hier. Und doch ist man zurzeit im Zulassungsprozess für Kanada und die USA.
Der Aufwand für eine europäische Zulassung wäre zu hoch, erklärt Geschäftsführerin Ronja Müller-Bruhn. So würde man kaum einen Termin für die Zulassung erhalten und es würden «insgesamt einfach viel mehr Dokumente und Studien benötigt. Ich müsste das drei- bis fünffache Budget rechnen wie vor ein paar Jahren», so Müller-Bruhn.
Politik verlangt Lösung – Umsetzung stockt
Der Luzerner Ständerat und Präsident von Swiss Medtech, Damian Müller, hat deshalb vor mehreren Jahren in einer Motion gefordert, dass in der Schweiz auch ausserhalb der EU zugelassene Produkte verwendet werden können. Vor eineinhalb Jahren stimmte das Parlament der Motion zu – doch umgesetzt ist sie noch nicht. «Es geht einfach viel zu lang. Es braucht jetzt zusammen mit der Industrie einen pragmatischen Weg, um die Versorgungssicherheit und auch die Patientensicherheit zu gewährleisten», kritisiert Müller.
Federführend in der Umsetzung des Vorstosses ist das Bundesamt für Gesundheit. Das BAG schreibt auf Anfrage, dass zurzeit die Zulassungssysteme ausserhalb der EU geprüft würden, «um festzustellen, wie diese Motion umgesetzt werden kann, ohne die Patientensicherheit zu gefährden». Noch könne man jedoch nicht sagen, bis wann mit einer Anpassung gerechnet werden könne.