Gesperrte Fankurven und Gästeblöcke polarisieren. Je öfter es sie gibt, desto mehr zeigen sich die Grenzen der Massnahmen. Und es gibt mehr Widerstand von Clubs und Fans. «Man muss etwas machen gegen diese Krawallbrüder», sagt ein Fan in St. Gallen zur «Rundschau». «Aber das ist die falsche Massnahme, am Schluss bekommen die trotzdem ein Billett.» Ein anderer sagt: «Die Kollektivstrafen bringen nichts. Man muss jene rausfischen, die Scheisse bauen.»
Angriffe auf Polizei und Sicherheitspersonal, demolierte Busse oder Schlägereien unter rivalisierenden Fangruppen: Fangewalt macht immer wieder Negativschlagzeilen.
Fans setzen sich durch
Ostermontag: Risikospiel FC St. Gallen gegen FC Luzern. Nach Ausschreitungen letzte Saison ist der Gästesektor gesperrt. Trotz Aufruf der St. Galler Polizei an die Luzern-Fans gibt es einen Grossaufmarsch. Hunderte Luzerner stehen vor dem Stadion.
Club, Polizei und Behörden lassen die Fans schliesslich auf die gesperrte Gästetribüne. Aus Sicherheitsgründen, damit sich potenziell gewalttätige Fans nicht in den Familiensektor setzen. Matthias Hüppi, Präsident des FC St. Gallen, begründet: «Wir haben nicht nachgegeben, sondern man hat einfach die beste Lösung in Zusammenarbeit mit der Polizei gefunden.»
Liga, Clubs und Fankurven sind gegen die Sektorsperren. «Tausende Leute werden für ein Verhalten von einigen wenigen, vielleicht einem einzigen Individuum, bestraft. Das ist unfair», sagt Wanja Greuel, Geschäftsführer der Young Boys Bern. «Und es bringt weitere Sicherheitsrisiken mit sich.»
Bruch mit den Behörden
Zwei Jahre lang haben Clubs und Liga zusammen mit der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) an Massnahmen gegen Fangewalt gearbeitet. Das Herzstück ist das sogenannte «Kaskadenmodell». Es sieht verschiedene Stufen vor, die bei Vorfällen mit Fangewalt in Kraft treten: Dialog, strengere Einlasskontrollen, Sektorsperren, Geisterspiele.
Doch Mitte März 2024 kam es zum Eklat. Clubs und Liga stiegen aus den Gesprächen aus: Ein Scherbenhaufen. Die Behörden führen das Modell trotzdem auf die nächste Saison hin ein. Die Clubs kritisieren, dass es in dieser Saison schon angewendet wurde, obwohl es nicht offiziell in Kraft ist.
Vorfälle meist ausserhalb der Stadien
Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause hat am Kaskadenmodell mitgearbeitet. Er ärgert sich über die Clubs: «Einfach Nichtstun ist keine Antwort auf gravierende Vorfälle im Stadion. Wir müssen als Behörde reagieren. Wir haben eine Verantwortung.» Doch die meisten Vorfälle passieren nicht im Stadion, sondern ausserhalb. Eine Sektorsperre sei trotzdem legitim, meint Nause, denn die Masse der Fans ermögliche, dass sich Einzelne verstecken könnten: «Wenn man einen Fansektor schliesst, dann ist das auch eine Antwort auf die Gewalt, die vom Kollektiv ausgeht.»
FCZ fordert die Behörden raus
Auch der FC Zürich war diese Saison bereits von einer Kurvensperre betroffen. Der Club lässt die Sperre nun gerichtlich prüfen, denn «öffentlichkeitswirksame Kollektivstrafen» seien der falsche Weg. Der FCZ fordert damit die Behörden heraus.
Die jüngste Episode hat sich am vergangenen Dienstag ereignet: Der FC Zürich boykottiert eine von den Genfer Behörden angesetzte Telefonkonferenz, den sogenannten «Massnahmen-Call». Dieser wurde angesetzt, weil es beim Spiel Servette FC gegen den FC Zürich am Samstag zu Problemen zwischen Fans sowie Stadionsecurity und der Polizei kam.