Am Ostermontag traf der FC St. Gallen im Heimspiel auf den FC Luzern. Der Gästeblock, der wegen Fan-Vorfällen im Rahmen früherer Begegnungen zwischen diesen beiden Teams eigentlich gesperrt gewesen wäre, wurde für die Luzerner Fans doch geöffnet.
Die kurzfristige Öffnung zeigt: Das Kaskadenmodell der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) stösst an seine Grenzen.
Das Modell sieht einen vierstufigen Massnahmenplan vor, wie bei welchen Vorfällen – je nach Eskalationsstufe – reagiert werden soll. Das Kaskadenmodell ist nicht nur in Fankreisen äusserst umstritten: Auch die Swiss Football League und ihre Clubs lehnen es unisono ab, weil es «in der Praxis als nicht zielführend, einseitig und unverhältnismässig» erachtet wird.
Die Kantone setzen das Kaskadenmodell auf die nächste Saison hin in Kraft, wie sie Mitte März verkündeten. Das Beispiel aus St. Gallen zeigt allerdings: In der Praxis ist Kaskadenstufe 3, welche eine Sektorschliessung vorsieht, für Verein und Polizei ein Problem. Hierbei handelt es sich um eine der besonders scharf kritisierten Kollektivstrafen.
Unter den gegebenen Umständen war diese Entscheidung vernünftig und verhältnismässig.
Dionys Widmer, Mediensprecher der St. Galler Stadtpolizei, die in Absprache mit dem FC St. Gallen entschied, den Gästesektor zu öffnen, sagt: «Es zeigt sich zum wiederholten Mal, dass eine Sperrung eines Gästesektors, gerade in einem ausverkauften Stadion, diverse Herausforderungen mit sich bringt.» Künftig seien darum andere oder weitere Massnahmen notwendig.
Die städtische Sicherheitsdirektorin Sonja Lüthi steht hinter dem Entscheid, den Sektor für die Luzerner Fans trotz Sperre zu öffnen: «Unter den gegebenen Umständen war diese Entscheidung vernünftig und verhältnismässig. Natürlich hätten wir es lieber anders gehabt.»
Anders wäre es beispielsweise gewesen, wenn die Luzerner Fans nicht nach St. Gallen gereist und damit einer Aufforderung der St. Galler Behörden gefolgt wären. Die Behörden setzten derweil auf Deeskalation: Lieber den Gästeblock öffnen, statt Ausschreitungen zu riskieren.
Es wäre die schlauste Lösung, das Kaskadenmodell zu beerdigen.
Die Polizei habe richtig gehandelt, sagt Fan-Anwältin Manuela Schiller. Aber: «Das Kaskadenmodell weckt bei der Bevölkerung Erwartungen, dass eine Lösung für die Gewalt rund um Stadien vorliegt. Doch diese Erwartungen kann es nicht erfüllen. Enttäuschung und Empörung sind umso grösser, wenn es den Fans gelingt, diese vermeintliche Lösung ad absurdum zu führen.»
Hinzu komme, so Schiller, dass es den Polizeikorps in aller Regel oft gelinge, fehlbare Personen rund um Sportveranstaltungen im Nachhinein zu ermitteln: «Es wäre die schlauste Lösung, das Kaskadenmodell zu beerdigen.» Es seien selten wüste Vorfälle und meistens ausserhalb der Stadien.
Ruf nach personalisierten Tickets
Die KKJPD stellt sich auf den Standpunkt, dass es Instrumente brauche, um Fehlverhalten zu sanktionieren. Auf Anfrage heisst es, man bedaure, dass sich eine Gruppe Luzerner Fans nicht an die Auflagen hielt. Und man gehe davon aus, dass weitere Massnahmen folgen würden.
Weitere Massnahmen könnten unter anderem personalisierte Tickets sein. Eine Forderung, die immer wieder im Raum steht und just am Dienstag von der St. Galler Regierung erneut unterstrichen wurde. Aber auch hier gibt es Widerstand. Fachleute sagen, damit werde das Problem nicht gelöst und höchstens in untere Ligen verdrängt.