BBC, ARD, Rai oder ORF – in Europa gibt es in fast jedem Land medialen Service public. Die Schweiz hat die SRG, ein privater Verein, der über Gebühren finanziert wird. Am 4. März 2018 stimmen die Schweizer darüber ab, ob diese Gebühren und damit die SRG abgeschafft werden sollen. Eine solche Abstimmung gab es in Europa noch nie. Und in keinem anderen Land fiel je ein derart grundsätzlicher Entscheid.
Steuern als Alternative zu den Gebühren
Wie hoch die Radio- und TV-Gebühren sind, variiert in Europa je nach Land. In Deutschland zahlt man rund 210 Euro pro Jahr, in Italien 90 und in Albanien 8 Euro. Im Durchschnitt sind es 130 Euro. Die Art und Weise, wie die Gebühren eingezogen werden, ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Deutschland oder bald auch die Schweiz setzen auf eine Haushaltsabgabe. «Diese Haushaltsabgabe ist sicherlich nicht das einzige Modell», sagt Manuel Puppis, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Freiburg.
Finnland zum Beispiel kennt als bisher einziges Land eine individuelle und zweckgebundene Steuer. «Jede erwachsene Person und jede Firma muss in Abhängigkeit ihres Einkommens einen Beitrag zahlen», erklärt Puppis. Der Maximalbetrag liegt bei 143 Euro.
Wie sollen die Gelder erhoben werden?
Es gibt auch Länder, welche den Rundfunk direkt über den Staatshaushalt finanzieren, also über die allgemeinen Steuern. So zum Beispiel Belgien oder die Niederlande. «Die Erfahrungen damit sind nicht nur positiv», sagt Puppis. Denn es eröffne dem Parlament und der Regierung die Möglichkeit, die Sender in der Budgetdebatte abzustrafen und ihnen für das Folge-Jahr weniger Geld zu geben, wenn die Institutionen nicht mit den Leistungen zufrieden sind. Puppis warnt: «Die Gefahr parteipolitischer Einflussnahme steigt mit einer Finanzierung aus Steuermitteln.»
Welches die beste oder sinnvollste Art ist, Rundfunkgebühren zu erheben, ist in vielen Ländern Europas momentan Gegenstand intensiver Debatten. Schweden überlegt, ebenfalls das finnische Modell einer individuellen Kopfsteuer zu übernehmen. Österreich erwägt einen Wechsel von der Geräte- zur Haushaltsabgabe. Italien hat entschieden, die Gebühr neu über die Stromrechnung einzuziehen, damit sich die Italiener nicht mehr davor drücken können, die Rundfunkgebühr zu bezahlen.
Rundfunk und Presse sind jetzt Konkurrenten
Über die Art und die Höhe der Rundfunkgebühren wird also verhandelt – die Gebühr an sich ist aber nicht der einzige Grund, weshalb die klassischen Radio- und Fernsehanstalten in ganz Europa unter Druck stehen. Der andere Grund sei der Online-Bereich, sagt Kommunikationswissenschaftler Puppis.
Früher waren öffentlicher Rundfunk und private Presse noch zwei völlig getrennte Felder. Doch heute nutzen mit dem Internet beide den gleichen Kanal. Rundfunk und Presse wurden zu Konkurrenten. «Wer soll was tun? Wer bekommt welche Einnahmen? Kann die Presse so noch überleben, wenn der öffentliche Rundfunk online ist? Diese Grundkonflikte zwischen Verlegern und öffentlichem Rundfunk haben ganz viele Länder in Europa», sagt der Medienwissenschaftler.
Online-Angebot von Radio und Fernsehen einschränken?
Der Konflikt mit den Zeitungs-Verlegern tobte in Deutschland besonders heftig. Nun aber zeichne sich eine Entspannung ab, so Puppis. «Das ZDF hat sein Online-Angebot massiv umgestellt. Wenn man es sich heute anschaut, sieht das eigentlich aus wie eine grosse Mediathek oder ein öffentlich-rechtliches Netflix, wo vor allem die Video-Beiträge im Vordergrund sind und weniger Text.»
Ein weiterer Ansatz, um den Konflikt zu entschärfen sei, dass neue Online-Angebote von Service-public-Medien nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen würden.
Public-Value-Tests in Europa
«Für neue Angebote muss ein sogenannter Public-Value-Test durchgeführt werden: Schafft ein neues Angebot wirklich einen öffentlichen Wert für die Gesellschaft?», so Puppis. Erst nach so einer Prüfung dürfe dann ein neues Angebot zugelassen werden.
Deutschland, aber auch Grossbritannien oder Irland kennen solche Tests und konnten damit den Konflikt mit den Verlegern entschärfen. Diese Tests brächten jedoch viel Bürokratie und seien deshalb nicht unbedingt die beste Lösung, sagt Puppis.
Kampf um US-Medienmarkt
Für die Zukunft des medialen Service public in ganz Europa sei es letztlich am wichtigsten, dass die medienpolitische Debatte geführt werde. Transparenz, Rechenschaft und Einbezug des Publikums – damit könne der Service public seine Legitimation wieder stärken.
Anders als in Europa funktioniert das Mediensystem in den USA. Amerika kennt keinen Service public, dafür einen hart umkämpften Medienmarkt mit zwei politischen Ausrichtungen: Entweder links oder rechts. In der Mitte gibt es wenig.
So ist etwa Sean Hannity, Moderator des konservativen Senders Fox News und bekennender Donald-Trump-Freund, eine Medien-Ikone. Das Konzept seiner Sendung: Den Präsidenten verteidigen und dessen Kritiker attackieren. Aber die progressiven Medien kontern, etwa die Fernseh-Ikone der Linken, Rachel Maddow, Aushängeschild des Senders MSNBC. Sie liefert sich jeden Tag abends um 21 Uhr ein Quotenrennen mit Hannity, der meistens über 3 Millionen Zuschauer hat. Den atemlosen Wortschwall beherrscht Maddow so gut wie ihr Kollege auf der rechten Seite.
Zwischen links und rechts versuchen Medien in der Mitte, etwa CNN oder die New York Times, objektiv zu berichten, doch das US-Mediensystem kennt kein wirklich ausgewogenes Angebot. Die Medien müssen sich selber finanzieren, alle kämpfen mit harten Bandagen um ein Stück des Kuchens. Gerade bei den links oder rechts ausgerichteten Sendern wird die Botschaft dann oft vereinfacht.
Dabei gab es in den USA ein Übereinkommen von 1947, das zur ausgewogenen Berichterstattung verpflichtete: die Fairness-Doktrin. Wie kaum ein anderer stand der legendäre CBS-Moderator Walter Cronkite für die Einhaltung dieser Doktrin, jahrzehntelang war er der Inbegriff für Faktentreue und Neutralität.
Die Fairness Doktrin sollte 1987 als Gesetz verankert werden. Doch der damalige republikanische Präsident, Ronald Reagan, verhinderte mit seinem Veto, dass aus der Doktrin ein Gesetz wurde. Deshalb ist heute in den USA niemand mehr zur sachgerechten Berichterstattung verpflichtet, in der alle Seiten zu Wort kommen. Es gibt auch kein staatliches oder mit Gebühren finanziertes Medium.
Aber ein paar Service-public-ähnliche Sender gibt es und sie haben eine hörbar andere Tonalität. So zum Beispiel das Fernsehen PBS. Public Broadcasting Service erreicht mit seiner Hauptsendung rund eine Million Amerikaner. PBS und die Radiosender von NPR (National Public Radio) erhalten zwar einen kleinen Zustupf aus einem Fond der Bundesregierung. Doch Präsident Trump will den Fond-Beitrag auslaufen lassen, weil diese Sender zu links seien.
PBS und NPR finanzieren sich hauptsächlich durch Sponsoring und Spenden. Um das Budget von rund 200 Millionen Dollar zusammenzubringen rufen die Moderatoren von NPR regelmässig am Radio zu Spenden auf. Aber auch mit diesen Spendenaktionen wird es für NPR immer schwieriger, das benötigte Geld für den Sendebetrieb zusammenzubringen.