Es hustet, niest und schnäuzt im Moment. Die letzten zwei Winter haben sich alle mit Maske geschützt, jetzt spüren alle die Viren und Bakterien. Aber gerade jetzt fehlen besonders viele Medikamente, sagt Enea Martinelli.
Es ist ein trauriger Rekord, den wir erreicht haben
Martinelli ist Vorstandsmitglied beim Apothekerverband, Spitalapotheker und führt eine eigene Liste über Medikamente, die fehlen: «Es ist ein trauriger Rekord, den wir erreicht haben. Die grössten Probleme haben wir bei Kindermedikamenten, vor allem bei fiebersenkendem Sirup. Aber auch Blutdruckmedikamente, Medikamente für die Psychiatrie oder Parkinson fehlen.»
Die Gründe sind vielfältig: Corona und die Lockdowns in China, Krieg in Europa sowie Lieferkettenprobleme. Manchmal fehlen die Wirkstoffe selber, manchmal aber auch ein Filter oder gar nur der Karton für die Verpackung. Zudem ist die Schweiz ein kleines Land, als Markt für die Pharma daher nicht so attraktiv.
Bund überwacht nur teilweise
Der Bund überwacht zurzeit nur die lebenswichtigen Medikamente. Aber auch da kommt es dieses Jahr zu mehr Versorgungsengpässen. So schreibt das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung auf Anfrage von SRF:
Aktuelle Versorgungsstörungen
«Was die Versorgung der Schweiz mit lebenswichtigen Heilmitteln angeht, stellt die Meldestelle Heilmittel des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) in diesem Jahr einen Anstieg von Versorgungsstörungen fest. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Anzahl Störungen im Vergleich zu 2019 mit grosser Wahrscheinlichkeit übertroffen wird.»
Ärzte bestellen schon im Ausland
Die schwierige Situation spüren auch die Ärzte, sagt Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte. So seien viele Angestellte in den Praxen damit beschäftigt, Alternativen zu suchen. «Wir fragen bei Kollegen und Kolleginnen nach, wir fragen in Apotheken nach», so Luchsinger. Zum Teil hilft aber alles nichts: «Manchmal geht es so weit, dass wir Medikamente im Ausland beschaffen.»
Horten macht keinen Sinn.
Luchsinger appelliert daher an alle, die jetzt Medikamente beziehen: «Horten macht keinen Sinn. Kaufen Sie erst dann Medikamente, wenn Sie diese brauchen!»
Selber herstellen als Abhilfe
Einige Apotheken können aushelfen, in dem sie beispielsweise fiebersenkenden Sirup für Kinder selbst herstellen. So macht es beispielsweise René Jenni von der Leonhardsapotheke in Zürich: «Lohnen tut sich das vor allem, weil wir so zufriedene Kunden und Kundinnen haben. Diese kommen wieder retour.»
In seiner Apotheke würden häufig Pharmaziestudenten und -studentinnen die Sirupe mischen. Rentieren tue sich das aber nicht, so Jenni: «Die Tarife, die wir dafür berechnen dürfen, sind viel zu tief. Diese sind zu lange nicht mehr erneuert worden. Das ist sehr schade. Weil die Apotheken herstellen könnten, es sich aber nicht lohnt.»