Im Fussballstadion auf engstem Raum fiebern im Moment Fans aus ganz Europa an der Fussball-Europameisterschaft mit ihren Mannschaften mit. So zum Beispiel in Ungarns Hauptstadt Budapest oder schon bald auch in London. Als hätte es nie eine Corona-Pandemie gegeben, finden die Finalspiele der Europameisterschaft vor rund 60'000 Zuschauenden statt.
Daniel Koch, der ehemalige «Mister Corona» war es, der die Uefa dabei beraten hat, sich gegen strenge Massnahmen und für volle Stadien zu entscheiden. Ist das nicht verantwortungslos? Nein, meint Koch, denn: «In den Stadien herrscht das gleiche Regime wie schon bald auch in der Schweiz.
Einzelne Ansteckungen wird es wohl schon geben. Aber dass daraus grössere Ansteckungsherde entstehen, halte ich für unwahrscheinlich
Die Leute sind geimpft oder getestet und die Personenanzahl ist beschränkt. Einzelne Ansteckungen wird es wohl schon geben. Aber dass daraus grössere Ansteckungsherde entstehen, halte ich für unwahrscheinlich.»
Ob in Ungarn, Grossbritannien oder in der Schweiz: Die sogenannte Herdenimmunität ist nirgendwo erreicht. Und in wenigen Tagen schon beginnt mit den Sommerferien die grösste Reisezeit des Jahres. Fachleute wie Esther Künzli, Epidemiologin am Institut für öffentliche Gesundheit in Basel, schätzen das Risiko der vollen Stadien darum offenbar höher ein als Daniel Koch. «Ein grosser Teil der Bevölkerung ist bei uns nicht geimpft, das wird auch nach den Sommerferien noch so sein. Es besteht also eine Wahrscheinlichkeit, dass die Fallzahlen wieder ansteigen.»
Damit könnte das gleiche Szenario eintreten wie im letzten Jahr. Kaum beginnen die Meisterschaften – müssen Bund und Kantone schon wieder den nächsten Lockdown verfügen. Dies dürfe auf keinen Fall ein zweites Mal passieren, sagt Lukas Engelberger, Direktor der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz, an einer Medienkonferenz des BAG. «Wir haben jetzt die Chance, die Weichen dieses Jahr besser zu stellen. Zwei Dinge sind anders als 2020: Wir verfügen über eine Impfung und wir verfügen über ein viel besseres System in Bezug auf Schutzmassnahmen und Monitoring.»
Steigende Fallzahlen trotz Impfung
Fussballspiele vor vollen Rängen sind also wieder möglich. Und dies, obwohl sich die negativen Meldungen über die Delta-Variante häufen, die weitaus ansteckender sein soll. Für Gesundheitsminister Alain Berset ist klar: «Die Delta-Variante wird bei uns auch irgendwann dominieren oder sogar 100 Prozent betragen. Die Frage ist nur, wann». Die Delta-Variante ist es denn auch, die in anderen Ländern für steigende Fallzahlen sorgt – trotz Impfung. Dies sei zum Beispiel in Grossbritannien der Fall, sagt die Epidemiologin Esther Künzli. «Allerdings treten die Fälle in den Bevölkerungskreisen auf, die nicht oder erst einmal geimpft wurden.»
Das heisst konkret: Die Delta-Variante ist auch für jüngere Menschen offenbar sehr ansteckend. Und es sind insbesondere diese jüngeren Menschen, die gerne Sportveranstaltungen in vollen Stadien besuchen.
Man muss diese Zeit ausnützen, und sich gleichzeitig vorbereiten auf den Herbst und Winter.
Trotzdem sieht Daniel Koch keine unverhältnismässigen Risiken und verweist auf die Saison: «Das Virus ist wie die anderen Viren saisonal, auf den Sommer hin werden die Ansteckungen in ganz Europa geringer sein. Darum muss man diese Zeit ausnützen, und sich gleichzeitig vorbereiten auf den Herbst und Winter. Wie es dann aussieht, wissen wir nicht. Aber die Voraussetzungen sind schon viel besser als vor einem Jahr.»