Ärgerlich, wenn ein Brief nicht ankommt. Noch ärgerlicher, wenn es sich um eine Postsendung mit 1600 Unterschriften für eine Initiative handelt, und diese noch beglaubigt werden müssten. So geschehen diesen Sommer in der Stadt Bern.
Mitte Juli ist der Stadt Bern eine eingeschriebene Postsendung mit unterzeichneten Unterschriftenbögen zugestellt und quittiert worden. Die Sendung sei danach jedoch nie bei der intern zuständigen Stelle eingegangen, welche die Unterschriften kontrolliert. Das meldet die Stadt Bern in einer Mitteilung.
Wir können aktuell nichts ausschliessen. Auch deliktisches Verhalten oder Fehler stehen im Raum.
Letzte Woche wurde der Verlust intern bekannt. Dies, nachdem sich das Initiativ-Komitee über den Stand der Unterschriftenkontrolle erkundigt hatte. Bisher waren die Nachforschungen allerdings erfolglos: «Wir wissen nicht, was passiert ist», sagt Stadtschreiberin Claudia Mannhart.
«Wir können aktuell nichts ausschliessen. Auch deliktisches Verhalten oder Fehler stehen im Raum», so Mannhart. Deshalb werde momentan auch eine Anzeige gegen Unbekannt erwogen. Zuerst müsse nun geklärt werden, wie man mit dieser Situation umgehe, so die Stadtschreiberin. Dazu gehöre auch, die internen Abläufe zu untersuchen.
Kein vergleichbarer Fall bekannt
«Mir ist kein vergleichbarer Fall bekannt, bei dem Unterschriften zwar eingegangen sind, aber nicht beglaubigt werden konnten.» Die Stadtkanzlei prüfe derzeit die rechtlichen Möglichkeiten, wie die Situation gelöst werden könne, so Mannhart. Also, ob beispielsweise die Frist für das Sammeln der Unterschriften verlängert wird.
Wir erwarten, dass diese 1600 Unterschriften, die wir gesammelt haben, für gültig erklärt werden.
Und was sagen die Verantwortlichen des betroffenen Initiativkomitees dazu? «Es ist skandalös, dass so etwas passieren kann», sagt Stefan Wüthrich, Co-Präsident Gewerkschaftsbunds Stadt Bern und Umgebung. Die Stadt müsse die Konsequenzen für die Verletzung dieser Sorgfaltspflicht tragen. Auch um Schaden von der direkten Demokratie abzuwenden.
Die Forderung des Komitees ist klar: «Wir erwarten, dass diese 1600 Unterschriften, die wir gesammelt haben, für gültig erklärt werden», so Wüthrich. Es dürfe nicht sein, dass das Komitee völlig unverschuldet gezwungen werde, rund 30 Prozent der notwendigen Unterschriften ein zweites Mal zu sammeln.
Gesammelt worden seien sie von den Organisationen, die im Initiativkomitee vertreten seien, und nicht von kommerziellen Dienstleistern. Zum Komitee gehören SP, Grünes Bündnis, Grüne Freie Liste und Gewerkschaftsbund Stadt Bern und Umgebung.
5000 Unterschriften nötig in Bern
Die Initiative verlangt, dass in Bern künftig niemand mehr unter 23.80 Franken pro Stunde verdienen soll. Für das Zustandekommen einer Initiative in der Stadt Bern braucht es insgesamt 5000 gültige Unterschriften. Die Initiative wurde am 1. Mai lanciert, damit endet die Frist für die Unterschriftensammlung am 1. November.
Ob diese Frist verlängert wird oder ob die verloren gegangenen Unterschriften für gültig erklärt werden, ist noch unklar.