310 Millionen Franken. So viel kostet das neue Tram- und Busdepot im Kanton Genf, an dem über 200 Arbeiter bauen. Trotzdem gebe es teilweise «Hungerlöhne», reklamiert nun die Gewerkschaft Unia: «Hier haben wir es mit einer besonders skrupellosen Elektrofirma zu tun, welche nach unserem Wissen ihren Arbeitern statt 25 Franken Mindestlohn nur gerade acht bis zehn Franken pro Stunde bezahlt», empört sich Alessandro Pelizzari, Sekretär Unia Genf.
Auf den Lohnabrechnungen, welche die Firma Zaffaroni ausstellt, habe alles seine Ordnung: 4350 Franken Monatslohn, was dem Mindestlohn entspreche.
Holt sich Firma Löhne zurück?
Ein betroffener Arbeiter: «In Italien mussten wir Bankkonten eröffnen, wohin unsere Löhne überwiesen worden sind. Unser Chef aber konnte direkt von diesen Konten einen Teil des Lohnes wieder abziehen, also zurückholen. Das war der Deal. Wäre ich den Deal nicht eingegangen, hätte ich den Job in der Schweiz nicht bekommen.»
Ein italienischer Geschäftspartner der Baufirma Zaffaroni hat mit einer Bankkarte Zugang zu den Lohnkonten und das Geld abgehoben. «Je nach Monat sind so 1000 bis 1500 Euro direkt vom Lohnkonto verschwunden», sagen mehrere Zaffaroniangestellte.
Laut Unia sollen 50 Mitarbeiter von Zaffaroni betroffen sein. Alle aus Süditalien, alle sind auf die Genfer Baustelle des Tram- und Busdepots korrekt «entsandt» worden. So, wie das in den bilateralen Verträgen mit der EU geregelt ist. Pelizzari zu SRF: «Dass eine Firma einen Drittel des ausbezahlten Lohnes wieder einzieht, so einen Fall gab es noch nie in Genf. Wir haben dies nur dank lückenlosen Kontrollen erfahren.»
Ein ähnlicher Trick, wie ihn auch die Gipserfirma Goger in der Deutschschweiz angewendet haben soll. Ebenfalls die Firma IL Plattenleger Ignat GmbH mit Sitz in Feuerthalen/ZH. Sie präsentierte den Kontrolleuren korrekte Verträge, aber bezahlte die Löhne in dieser Höhe gar nicht erst aus, wie der «Kassensturz» berichtet.
«Wir haben keine Ahnung von diesen Praktiken. Die italienischen Elektriker haben wir über eine Temporärfirma in Italien angestellt. Sollten die Arbeiter um ihr Geld gebracht worden sein, müssen sie Anzeigen einreichen», sagt Salvatore Amore, Sprecher von Zaffaroni in Gingins (VD) gegenüber Schweiz aktuell.
Fabrice Berney sitzt in der sogenannten paritätischen Arbeitskommission. Mittels diesem Gremium kontrollieren Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam die Einhaltung der Löhne. Berney ist sauer: «Wenn eine Baufirma die Lohnbestimmungen verletzt, schädigt sie damit auch die Konkurrenz, denn sie holt sich einen Wettbewerbsvorteil.» Die Kommission erwarte von den Genfer Verkehrsbetrieben, Zaffaroni die Arbeit zu entziehen.
Die Verantwortlichen bei den Genfer Verkehrsbetrieben TPG wollen «Schweiz aktuell» kein Interview geben, schreiben aber: «Die Genfer Verkehrsbetriebe haben einen Sozialfonds für die betroffenen Arbeiter eingerichtet. Ausbezahlte Gelder werden von fehlbaren Baufirmen zurückgefordert.»
560’000 Franken war die Offerte von Zaffaroni an die Genfer Verkehrsbetriebe tiefer als die nächst höhere, dafür sind nun Dutzende von Arbeitern geschädigt und ein langer Rechtsstreit ist nicht ausgeschlossen. Bis heute haben die Arbeiter nichts vom fehlenden Lohn gesehen.