Wer das Wort Sioux hört, denkt vielleicht im ersten Moment an Indianerfilme. An Häuptlinge, Federschmuck und Friedenspfeifen. Ziemlich sicher denkt man bei Sioux aber nicht an die Luzerner Gemeinde Beromünster. Das zu Unrecht, wie nun eine neue Ausstellung im Haus zum Dolder in Beromünster zeigt. Die indigene Bevölkerung Nordamerikas ist nämlich stärker mit der Zentralschweiz verbunden, als bisher angenommen.
Für die Katholiken war klar: Das sind ungläubige Heiden.
Zentrale Figur ist Johann Dolder (1836 – 1924) aus Beromünster. Er war 10 Jahre lang Pfarrer im Kanton Luzern, bevor er 1881 als Missionar nach Nordamerika ging. Er war dort einer der ersten Missionare bei einem Stamm der Sioux. Seine Aufgabe vor Ort: die indigenen Einwohner zum katholischen Glauben zu bekehren.
Regierungen wollten Indigene ausrotten
Historiker Manuel Menrath ist Professor für Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Luzern und spezialisiert auf die indigenen Bewohner Nordamerikas. Für seine Forschung hat er über ein Jahr bei Indigenen in Kanada und den USA gelebt. «Bei der indigenen Bevölkerung gab es eine Vielzahl von Ritualen, spirituellen Bräuchen und Traditionen. Für die Katholiken war klar: Das sind ungläubige Heiden.»
So folgten nach Johann Dolder zahlreiche Missionare aus der Zentralschweiz. Sie kamen in einer Zeit nach Nordamerika, in der die «First Nations» bereits stark unter Druck standen. Die amerikanische und die kanadische Regierung kämpften gegen die indigene Bevölkerung. Ziel: sie ausrotten oder zumindest in Reservate stecken und Land wegnehmen.
Indigene Gäste anwesend
In Beromünster widmet sich nun eine Ausstellung diesem Kapitel und vertieft den Bezug zur Schweiz und die Rolle der hiesigen Missionare. Für Kurator Manuel Menrath ist wichtig zu sagen, dass die Ausstellung nicht anklagen, sondern zusammenführen will. Für mehr als einen Monat sind deshalb drei Gäste aus Kanada vor Ort. Menrath: «Wir wollen die Möglichkeit geben, mit den Betroffenen selbst zu sprechen und nicht nur über sie.»
Einer der Gäste ist Mike Metatawabin. Der Autor war als Kind in einer «Residential School». Dorthin wurden indigene Kinder seit dem 19. Jahrhundert verschleppt und von Kirchenleuten umerzogen. Sie sollten die Erinnerungen an die eigene Geschichte und Kultur vergessen.
Das wohl Schlimmste war, dass man versuchte, unsere Geschichte und damit unsere Identität auszulöschen.
Diese in der Zwischenzeit als kultureller Völkermord anerkannte Praxis sorgte für viel Leid, Tausende Kinder kamen ums Leben. Metatawabin: «Das wohl Schlimmste war, dass man versuchte, unsere Geschichte und damit unsere Identität auszulöschen. Das ist auf brutale Art und Weise passiert.» Es sei letztlich darum gegangen, an ihr Land zu kommen.
Schwieriger Weg zur Heilung
Die traumatisierte indigene Gesellschaft in Kanada befindet sich auf einem schwierigen Weg der Heilung. Laut Metatawabin schöpfe sie Kraft durch «die Rückbesinnung auf kulturelle Traditionen und Werte». So zeigt auch die Ausstellung Werke von indigenen Künstlern. Sie malen Bilder, komponieren Stücke oder verarbeiten ihre Geschichten in Texten. Für Historiker Manuel Menrath ist klar: «Die indigenen Stimmen aus Kanada sind vielfältig, berührend, lustig und weise. Sie sind es wert, endlich Beachtung zu finden.»
Kanada ist bis heute ein Lieblingsauswanderungs- und Reiseland für Schweizerinnen und Schweizer. Trotzdem sind gemäss Kurator Manuel Menrath Kontakte mit der indigenen Bevölkerung selten. Die Ausstellung im Beromünster Haus zum Dolder dauert noch bis zum 3. Dezember.