Um die Debatte heute zu verstehen, braucht es einen Blick zurück: Vor vier Jahren versenkte der Nationalrat das Projekt für einen besseren Schutz von Angestellten, die Unregelmässigkeiten und Missstände in ihren Unternehmen melden wollen: Obwohl die Wirtschaftsverbände dafür waren, stellten sich SVP, FDP, SP und Grüne dagegen. Streitpunkt war der Kündigungsschutz für Whistleblowerinnen und Whistleblower – links ging er zu wenig weit, rechts wollte ihn nicht stärken.
Das Nein beendete sieben Jahre Arbeit, weshalb Bundesrätin Karin Keller-Sutter – damals Justizministerin – festhielt: «Es wird nicht möglich sein, vonseiten des Bundesrats sofort eine neue Vorlage zu bringen oder eine neue Motion einzureichen. Wenn sich die eine oder andere Seite nicht bewegt, werden wir wieder am gleichen Punkt enden.»
Fronten bleiben verhärtet
Diese Haltung vertritt der Bundesrat auch heute noch. Aus diesem Grund legte die zuständige Kommission nach heftigen Diskussionen dem Nationalrat nahe, nichts zu tun. «Die Mehrheit der Kommission war der Meinung, dass sich nichts geändert hat», erklärt die Aargauer Mitte-Nationalrätin Maya Bally gegenüber SRF. «Deswegen macht es keinen Sinn, noch einmal die gleiche Forderung zu bearbeiten.»
Als Mitte-Politikerin bedauere sie das. Denn ein besserer Schutz von Angestellten, die Missstände im Arbeitsalltag melden wollen, sei nötig. Ausserdem habe sich die Schweiz dazu verpflichtet – es entspreche den Vorgaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Tatsächlich hat die OECD die Schweiz mehrmals aufgefordert, diese Lücke in der Korruptionsbekämpfung zu schliessen. Das will auch die Basler Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan: «Der Druck ist da. Die OECD-Partnerstaaten haben gesagt, dass wir bis Ende Jahr etwas tun sollten.»
Schliesslich seien es auch die Mitglieder der parlamentarischen Delegation der Schweiz bei der OECD gewesen, die diesen Vorstoss eingereicht hätten, so Arslan weiter. Diese hatten den Ständerat im letzten Jahr davon überzeugt, Whistleblowing auch im privaten Sektor rechtlich abzusichern und die Strafen für die Unternehmen zu erhöhen.
Transparency bedauert Entscheid
Das wäre wichtig, sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International. «Es gelingt oft nur dank Whistleblowerinnen und Whistleblowern, Korruption und anderes Fehlverhalten aufzudecken. Das ist nicht nur im Interesse der betreffenden Personen und der Öffentlichkeit, sondern insbesondere auch des Unternehmens.»
Aus diesem Grund hätten verschiedene Unternehmen freiwillig den Schutz verbessert. Laut Hilti haben rund 60 Prozent der Unternehmen eine Meldestelle eingerichtet. Dies zeige, dass Handlungsbedarf vonseiten der Politik besteht.
Wir arbeiten nicht so gerne für die Galerie.
Allerdings: Im Nationalrat sind die Meinungen gemacht – weshalb auch der aktuelle Justizminister Beat Jans zum Schluss kam: «Wir arbeiten nicht so gerne für die Galerie. Wir möchten Ihnen helfen. Mit diesem Vorschlag ist uns das aber im Moment nicht möglich.»
Wie bereits vor vier Jahren sagte der Nationalrat deutlich Nein zu einem neuen Versuch, Whistleblowing rechtlich besser abzusichern. Entsprechend wird die OECD den Druck auf die Schweiz erhöhen.