Die Fifa ist seit über 90 Jahren in Zürich zu Hause. Nun hat der Kongress des Weltverbandes einer Statutenänderung zugestimmt, die an der Regelung rüttelt, dass der Hauptsitz des Weltfussballverbandes an der Limmatstadt sein muss. Der jahrelange Fifa-Präsident Sepp Blatter nimmt Stellung zum Entscheid.
SRF News: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als sie von der Statutenänderung gehört haben?
Sepp Blatter: Zunächst muss man festhalten, dass die Fifa ein Verein gemäss dem Zivilrecht der Schweiz ist. Und ein Verein hat Statuten. Das wichtigste Organ ist die Generalversammlung, der Kongress. Dieser ist souverän und kann entscheiden, was er will. Dass die Fifa über ihren Standort bestimmt, ist statuarisch also absolut vertretbar. Man kann nicht sagen, dass sie das gemacht hat, um irgendetwas damit zu erreichen.
Momentan ist ja noch nichts entschieden. Aber es gibt die Möglichkeit, dass die Fifa wegziehen könnte.
Es kommt nun darauf an, was Zürich mit diesem Entscheid macht. Momentan ist ja noch nichts entschieden. Aber es gibt die Möglichkeit, dass die Fifa wegziehen könnte.
Warum hat die Fifa so entschieden?
Da müssen Sie nicht mich fragen. Ich bin nicht mehr dabei. Und man hat mich auch nicht gefragt, ob das gut oder schlecht ist. Ich kann nur sagen, dass die Fifa das Recht hat, über die Statuten zu diskutieren. Es ist eine Herausforderung für Zürich. Wenn die Stadt will, dass die Fifa in Zürich bleibt, dann muss sie sich jetzt bewegen. Vielleicht auch der Kanton und wahrscheinlich auch die Schweiz. Denn es ist wichtig, wo der wichtigste Sportverband der Welt sitzt.
Es wäre jetzt Zeit, dass die Stadt und der Kanton Zürich und die Schweiz den Beschluss fassen: ‹Wir wollen, dass die Fifa hier bleibt, und wir müssen alles dafür machen.›
In der Schweiz haben wir ja schon den Sitz des Internationalen Olympischen Kommittees (IOK). Und dieses hat bereits beschlossen, dass Lausanne die IOK-Hauptstadt bleibt. In Zürich ist der Beschluss nie gefasst worden. Es wäre jetzt Zeit, dass die Stadt und der Kanton Zürich und die Schweiz den Beschluss fassen: «Wir wollen, dass die Fifa hier bleibt, und wir müssen alles dafür machen.»
Fänden Sie es wichtig, dass die Fifa in Zürich bleibt?
Für mich und zu meiner Zeit war es sehr wichtig – auch für die Fifa. Wir haben die Sitzungen in Zürich abgehalten, wir haben den Ballon d’Or hierher gebracht. Das zog die Crème de la Crème nach Zürich, füllte Hotels und Restaurants. Das war eine Belebung der Stadt, des Gewerbes, des Tourismus. In den letzten Jahren war das nicht mehr der Fall, weil man Zürich etwas vermieden hat. Jetzt ist es drum Zeit für Zürich – so, wie es Lausanne mit dem IOK gemacht hat – sich zur Fifa zu bekennen.
Die Politik ist also gefordert?
Ja.
Tut es Ihnen weh, dass Zürich nicht mehr diese Rolle zu spielen scheint für die Fifa? Ihr Nachfolger, Gianni Infantino, will ja die Fifa eher dezentralisieren.
Weh … (lacht). Ich bin ja nicht mehr der Präsident. Jeder Präsident hat seine eigenen Ideen. Ich weiss nicht, ob es Infantinos Idee ist, aus Zürich wegzuziehen, oder die von anderen. Aber: Es gibt 200 Landesverbände und es braucht eine Zweidrittelmehrheit, um dies zu ändern. Und das wird nicht so einfach sein.
Ich glaube, dass jetzt ein kleiner Warnruf gekommen ist, damit Zürich und die Schweiz darüber nachdenken, was das bedeutet, Sitz der Fifa zu sein.
Wenn sich die Politik nicht engagieren sollte – wäre es dann tatsächlich möglich, dass die Fifa Zürich verlässt?
Das kann ich nicht sagen. Ich würde das aber sehr bedauern. Ich glaube, dass jetzt ein kleiner Warnruf gekommen ist, damit Zürich und die Schweiz darüber nachdenken, was das bedeutet, Sitz der Fifa zu sein, ein riesiges Gebäude. Und dann gibt es da ja noch das Museum, und das läuft ja gut! An dieses müsste man auch denken – und an die ganze wirtschaftliche Kraft, die die Fifa Zürich weiterhin bringt. Was wollen wir noch mehr? Dafür muss man aber arbeiten! Ich kann nur sagen: Macht das, versucht es!
Das Gespräch führte Luca Laube.