Im Januar 2024 wurde in Binningen im Kanton Basel-Landschaft eine Frau von ihrem Partner ermordet. Der Mord machte Schlagzeilen – zum Teil sogar in England oder Indien. Der Mordfall war besonders brutal und die Berichterstattung zeigte teilweise auch Fotos vom Opfer, den Kindern der Frau und von ihrem Zuhause.
Es wurde definitiv eine rote Linie überschritten.
Wie detailliert über den Fall berichtet wurde, hat Bettina Bühler vom Frauenhaus beider Basel schockiert. Gerade die Angehörigen und besonders die Kinder seien nach solch einer Tat traumatisiert. Dann auch noch in der Öffentlichkeit zu stehen, erschwere die Verarbeitung des Traumas zusätzlich. Die grosse Präsenz in den Medien könne darum im Sinne des Opferschutzes nicht gutgeheissen werden, sagt Bühler.
Der nationale Dachverband der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein teilt diese Einschätzung. Die beiden Organisationen haben sich beim Presserat beschwert – zum ersten Mal in ihrer Geschichte. «Es wurde definitiv eine rote Linie überschritten», sagt Bettina Bühler.
Blertë Berisha, die Co-Leiterin des Dachverbands der nationalen Frauenhäuser, hofft, dass mit der Beschwerde eine übergeordnete Diskussion angestossen wird. Und zwar darüber, wie in der Schweiz über den Mord an Frauen, über sogenannte Femizide, berichtet wird.
Zahlreiche Kundgebungen gegen Gewalt an Frauen
Die Medienethikerin Marlis Prinzig begrüsst diese Diskussion. Sie lehrt an der Universität Freiburg und findet es positiv, dass sich die Schweizer Frauenhäuser wehren. Besonders bei Mord sei es aus ethischer Perspektive wichtig abzuwägen, was in einen journalistischen Bericht gehöre – und was nicht.
Es gilt darauf zu achten, dass die Opferperspektive stärker ist als die Täterperspektive.
So könne es beispielsweise nicht darum gehen, potenzielle Täter allenfalls anzustacheln, indem man eine sehr detaillierte Berichterstattung mache. Und trotzdem sei eine präzise Sprache zentral. Prinzig sieht hier die Schweizer Medien in der Verantwortung, Morde an Frauen auch explizit als solche zu benennen und dafür das Wort «Femizid» zu benutzen.
Klare Begrifflichkeiten und Prävention
Marlis Prinzig beobachtet die Schweizer Medienszene schon lange und stellt fest, dass immer mehr Medien den Begriff «Femizid» verwenden. «Es gilt darauf zu achten, dass die Opferperspektive stärker ist als die Täterperspektive», sagt Prinzig.
Und Morde an Frauen klar als solche zu deklarieren, das sei eine neue Entwicklung. Denn eine präzise Berichterstattung könne ergänzend zu den präventiven Massnahmen wirken – und sei eine Möglichkeit, der Gewalt etwas entgegenzuhalten.