Der Prozess gegen den ehemaligen Innenminister Gambias – Ousman Sonko – hat begonnen. Ihm werden unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Die ehemalige gambische Politikerin Ramzia Diab-Ghanem wurde 2006 mutmasslich Opfer von Sonko, Yahya Jammeh und dessen «Junglers», eine Art Schlägertruppe des ehemaligen Präsidenten. Diab-Ghanem ist in Bellinzona als Privatklägerin vor Ort. Gegenüber SRF erzählt sie ihre Geschichte.
SRF News: Frau Diab-Ghanem, können Sie schildern, was 2006 passierte?
Ramzia Diab-Ghanem: An einem Abend im Jahr 2006 erfuhr ich aus den Nachrichten, dass es in Gambia einen Putschversuch gegeben hat. Ich wusste nichts davon und konnte es eigentlich auch nicht glauben. Doch dann wurde ich verhaftet und in ein Gefängnis gebracht, wo sie mich in Einzelhaft unterbrachten. Ich wusste nicht, warum sie mich einsperrten, bis sie mich beschuldigten, am Putsch beteiligt gewesen zu sein – was nicht stimmte. Ich wurde inhaftiert und gefoltert. Der Rest ist Geschichte.
Sonko wusste offensichtlich, was die ‹Junglers› mit mir machten
Wie war Ousman Sonko an Ihrer Verhaftung beteiligt?
Er war Teil des Verhörteams und zu dieser Zeit Polizeichef in Gambia. Er hat mich gesehen, nachdem mich die «Junglers» gefoltert hatten. Sonko wusste also offensichtlich, was die «Junglers» mit mir machten. Deshalb mache ich ihn auch dafür verantwortlich, denn er hätte etwas dagegen tun und es verhindern können.
Könnten Sie Ihre Gedanken während der Verhaftung und Inhaftierung beschreiben?
Meine Gedanken waren zwiegespalten. Auf der einen Seite fürchtete ich um mein Leben. Denn als ich gefoltert wurde, dachte ich, ich würde sterben. Ich dachte, ich überlebe das nicht. Wenn du ausserhalb von deiner Zelle Geräusche hörst, denkst du, sie sind hier, um dich zu holen, um dich wieder zu foltern. Auf der anderen Seite habe ich mir gesagt, wenn ich schon sterben muss, dann für eine gute Sache. Denn jeder in meinem Land wird wissen, dass ich für die Demokratie, die Freiheit und die Rechte des gambischen Volkes eingestanden bin. Und das ist der Standpunkt, den ich bis heute vertrete. Für mich hat mein Streben nach Gerechtigkeit keine Grenzen. Was auch immer geschieht: Ich muss den Mund aufmachen, reden und mich wehren. Ich wusste, wenn ich sterbe würde, werden meine Kinder leiden. Aber eines werden sie wissen: Ihre Mutter hat für Gerechtigkeit und Freiheit in Gambia gekämpft.
Ich hatte eine Menge Rückschläge
Wie waren die letzten Jahre für Sie?
Sie waren sehr traumatisch. Ich hatte eine Menge Rückschläge. Gefühlsmässig und körperlich. Ich versuche mein Bestes, diese Erinnerungen zu verdrängen. Weil ich aber noch immer keine Gerechtigkeit erhalten habe, ist dies schwer, weil ich keinen Abschluss machen kann. Auch kommen immer wieder traumatische Erinnerungen auf, wenn ich sehe, dass es immer noch Diktatoren und Folter auf dieser Welt gibt.
Wie fühlen Sie sich jetzt, kurz vor dem Prozessauftakt?
Ich fühle mich grossartig. Wir mussten lange auf diesen Moment warten. Ich habe viel Hoffnung und sehe ein Licht am Ende des Tunnels. Dies nach all dem Leid, den Traumata und schlechten Erinnerungen. Endlich sind wir hier und sehen, wie die Schweizer Justiz Gerechtigkeit walten lässt.
Wir wollen einen Abschluss und dass wir die schlimmen Erinnerungen vergessen können
Was erwarten Sie vom Bundesstrafgericht und dem Verfahren?
Ich erwarte Gerechtigkeit und eine Art Wiedergutmachung für uns alle, die unter den Gräueltaten von Sonko und seinem Regime leiden mussten. Wir wollen einen Abschluss und dass wir die schlimmen Erinnerungen vergessen können.
Das Gespräch führte Manuel Ramirez.