Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse wartet mit einer neuen Studie auf. Das Verdikt: Der Wohnungsmarkt funktioniere alles in allem gut, die Schwarzmalerei sei Wahlkampf. Was es brauche, seien mehr Freiheiten beim Bauen – also weniger Regulierungen bei der Verdichtung.
Zur Wohnungsnot sagt Marco Salvi, Studienautor von Avenir Suisse: «Es sind Mythen und allenfalls halbe Wahrheiten. In den Zentren gibt es vermehrt Knappheit an Wohnraum. Das ist unbestritten. Aber landesweit ist das nicht so.»
Exorbitante Mieten in Zürich blosser Mythos?
Als weiteren Mythos bezeichnet Salvi exorbitante Wohnungsmietpreise. «Im Bestand sind sogar in Zürich viele Wohnungen günstig und sogar ein Schnäppchen.»
Studienautor Salvi spricht von durchschnittlich 1700 Franken für eine Dreizimmerwohnung – bei Bestandsmieten. Darunter sind natürlich auch Wohnungen, bei denen es seit 20 oder 30 Jahren keinen Mieterwechsel mehr gegeben hat. Aber auch bei Neumieten seien es nur etwa 500 Franken mehr, betont Salvi.
Allerdings entgeht auch dem Avenir-Suisse-Ökonomen nicht, dass die Bautätigkeit zurückgeht. Als Lösungsvorschläge sieht er hier weniger Regeln und Vorschriften beim Bauen. Denn gerade das verdichtete Bauen sei zwar wichtig, aber rekursanfällig. «Wir haben das Ziel des verdichteten Bauens eingeführt, ohne Rekursmöglichkeiten und vereinfachende Massnahmen auf den Weg zu bringen.»
Hier brauche es Anpassungen: Das Rekursrecht müsse überdenkt werden, aber es müsse auch mehr möglich sein beim Ausnutzen von Bauland. «Industrieareale können verdichtet werden», sagt Salvi. «Ich verstehe nicht, dass die Stadt Zürich das noch immer als Ballenberg in der Stadt betreibt.» Überhaupt sei Zürich ein gutes Beispiel, um aufzuzeigen, dass hier der Baubranche immer wieder ein Bein gestellt werde. So sind zahlreiche Projekte blockiert.
Widerspruch von links-grüner Seite
Stadtrat und Finanzvorsteher Daniel Leupi ist in Zürich für die Immobilien verantwortlich. Dass in Zürich Stillstand herrsche, stimme überhaupt nicht, meint der grüne Politiker. «Rekurse sind ein Element unseres Rechtsstaates. Wir wissen aber auch: Der grösste Teil kommt nicht von Verbänden, sondern tendenziell von Mitgliedern des Hauseigentümerverbandes, die gegen Nachbars Umbau Rekurs einlegen. Das ist ein Problem.»
Leupi beeindruckt die Avenir-Suisse-Studie nicht sonderlich. Er bleibt dabei: Es brauche mehr bezahlbare Wohnungen – und deshalb mehr gemeinnützige Wohnungen. Nicht lange auf sich warten liess auch eine Reaktion der SP auf die neuste Avenir-Suisse-Wohnmarktstudie. Diese Studie verteidige mit fadenscheinigen Behauptungen und fraglichen Fakten einzig die Interessen der Immobilienkonzerne, heisst es im SP-Communiqué.