«Sich ins eigene Knie schiessen» ist eine beliebte Redewendung, vermutlich aus der Jägersprache. Sich ins eigene Knie getroffen hat nun einer der einflussreichsten Medienmanager der Schweiz, der Ringier-CEO Marc Walder. Am Freitagnachmittag hat das Online-Portal nebelspalter.ch ein knapp ein Jahr altes Video veröffentlicht.
In diesem sagt Walder die Worte, die nun nicht nur ihm, sondern der ganzen Medienbranche um die Ohren fliegen: «Wir (Ringier) hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind (…) gesagt: Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die (Corona-)Krise kommen.»
Ringier-Medien, die auf Geheiss ihres Chefs die jeweilige Regierung «unterstützen»? Das irritiert, nein: Das empört. «Unterstützen» statt hinterfragen? «Unterstützen», statt nach der Wahrheit suchen, wie Journalisten ihre Tätigkeit sonst gerne umschreiben? Man hofft, dass Walder nicht 1 zu 1 meinte, was er sagte. Zumindest relativierte er nun seine damalige Aussage gegenüber der NZZ und Radio SRF: Er spricht jetzt von einer unglücklichen Aussage, von missverständlicher Formulierung – einem Fehler.
Salve gegen die gesamte Branche
Der Schuss aber sitzt bereits. Und er traf nicht nur ins eigene Knie, sondern als Rundum-Salve die ganze Medienbranche. Gerade in der Pandemie wird immer wieder der Vorwurf laut, grosse Medienhäuser würden zu regierungsnah berichten. Zwar kann, wer in der Schweiz die Berichterstattung der Verlage und von SRF verfolgt, diesen Vorwurf schnell entkräften – nun aber steht das Wort des Ringier-Chefs dagegen.
Entsprechend scharf reagieren andere Medien. Die NZZ schreibt von einer «journalistischen Bankrotterklärung», «Gift für die Demokratie», steht in Tamedia-Titeln (u.a. Tages-Anzeiger). Der «Beobachter» – zu Ringier Axel Springer gehörend – sah sich sogar genötigt, öffentlich klarzustellen, dass es keine Einflussnahmen seitens des Managements gebe.
Im Dienste des Publikums
Walders Salve könnte unbeabsichtigt auch SRF treffen. Zwar agiert die SRG und damit SRF staatsunabhängig und ist als Verein organisiert. Aber wegen der vom Volk gutgeheissenen Gebührenfinanzierung versuchen Kritiker und Kritikerinnen immer wieder, die SRG als «Staatsmedium» darzustellen.
Dabei ist die Haltung von SRF klar, auch in der Corona-Krise: Aufgrund umfassender Information will es SRF den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden und gesellschaftliche Vorgänge selber beurteilen zu können. Dieser Anspruch im Dienste des Publikums ist der allererste, den die publizistischen Leitlinien von SRF formulieren und nach dem die Journalisten bei SRF zu arbeiten haben. Die Regierung unterstützen steht selbstverständlich nirgends in den SRF-Leitlinien. Zur umfassenden Information gehört explizit, Entscheide der Regierung zu durchleuchten, faktenbasiert zu berichten, Kritik zu üben. Auch Regierungsbeschlüsse sind nicht per se dafür geeignet, gut durch die Krise zu kommen.
Was heisst unabhängige Information?
Zur umfassenden Information gehört auch Unabhängigkeit, nicht nur von einer Regierung, sondern von allen Interessensvertretern. «Unabhängig», so setzen die publizistischen Leitlinien von SRF fest, «ist unser journalistisches Schaffen dann, wenn Redaktionen keine Ideologie, keine Partei, keinen Verband, keine Institution, Person oder sonstige Interessensgruppen bevorzugen oder schonen.» Auch die Regierung wird nicht geschont, schon gar nicht «unterstützt».
Vielleicht birgt die Diskussion um Marc Walders fatale Aussage schlussendlich dennoch etwas Gutes: Sie schärft das Bedürfnis nach Journalismus, der einzig der Aufklärung verpflichtet ist. Journalismus, der sagt, was ist. Journalismus, der sich mit keiner Sache gemein macht, auch nicht mit einer Guten. Journalismus also, auf den sich Bürgerinnen und Bürger verlassen können.