Die Attacke eines dschihadistisch motivierten Jugendlichen auf einen Juden in Zürich, die Absage von Taylor-Swift-Konzerten in Wien, weil junge Dschihadisten mutmasslich ein Attentat planten, und nun der tödliche Messerangriff im deutschen Solingen. All die Ereignisse belegen, was der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in seinem Lagebericht 2023 bereits Ende Mai konstatierte: «Das plausibelste Terrorszenario ist eine von einem dschihadistisch inspirierten Einzeltäter verübter Gewaltakt.»
NDB will mehr Mittel
Einen Tag vor Solingen hielt NDB-Chef Christian Dussey gegenüber dem «Tagesanzeiger» fest, dass eine neue Dynamik der terroristischen Bedrohung herrsche. Und er forderte «erhebliche Schritte zur Stärkung des NDB», sprich: mehr Personal und finanzielle Mittel. Denn die Fähigkeit des Inlandgeheimdienstes, «Bedrohungen für die Sicherheit der Schweiz und für ihre Bewohner zu erkennen und verhindern», habe sich verschlechtert.
Sein Wunsch trifft nun auf offene Ohren bei Sicherheitspolitikern von links bis rechts. «Gerade nach dem furchtbaren Attentat in Solingen wird einem wieder bewusst, dass der Terrorismus nicht verschwunden ist», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf zu SRF.
Bundesrat will sparen
Doch die Pläne des Bundesrates sehen ganz anders aus: Der NDB muss sparen – von heute 124 Millionen Franken auf 123 im Jahr 2028. Bei der Armee sollen die Ausgaben hingegen von 5.6 Milliarden Franken auf 7 Milliarden jährlich steigen.
Das stösst bei Seiler-Graf auf Kritik, es würden die falschen Prioritäten gesetzt. «Es wäre fatal, beim Nachrichtendienst zu sparen.» Wenn schon, müsse man diskutieren, diesen mit mehr Mitteln auszustatten, so die Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SiK-NR). «Denn der Nachrichtendienst ist durchaus auch sehr sicherheitsrelevant.»
Auch SVP-Ständerat Werner Salzmann, Mitglied der SiK des Ständerates und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), kann die Forderungen des NDB nachvollziehen. «Die Ressourcen im NDB sind beschränkt. Das ist unsere erste Abwehrlinie. Und wenn diese geschwächt ist, ist die Sicherheit in der Schweiz nicht gewährleistet.»
Ball ist beim NDB
Doch wie soll der NDB gestärkt werden? Laut Salzmann gibt es zwei Möglichkeiten: einerseits mit mehr Geld für mehr Stellen. Das sei im momentanen finanziellen Umfeld aber eine schwierige Ausgangslage. «Ich sehe eher den Bundesrat in der Pflicht, dem NDB mehr Ressourcen zu geben und eine – allenfalls departementsübergreifende – Umverteilung zu planen.» Zusätzliche Mittel würde Salzmann primär für die Observation und Beobachtung zur Verfügung stellen. Dafür sei nebst dem NDB auch das Fedpol zuständig. Laut dem SVP-Politiker müssten beide Stellen nun sagen, wo es Verstärkung brauche.
Den NDB am Zug sieht auch Nationalrat Stefan Müller-Altermatt: «Es ist an ihm, uns zu sagen, wie viele Mittel er braucht und wofür», so der EVP-Politiker, der ebenfalls in der GPDel einsitzt. «Es ist nicht an der GPDel als Oberaufsicht, eine Zahl zu nennen.» Erst danach könnten die Wünsche in die parlamentarische Beratung gehen und entschieden werden.
Die Diskussion über mehr Mittel für den NDB ist also eröffnet – und wird bald weitergeführt werden: Die SiK-NR werde sich an einer der kommenden Sitzungen sicher damit beschäftigen, sagt deren Präsidentin Seiler-Graf.