Die offenen Restaurants und Bars haben in der Nacht auf Sonntag viele Menschen in den Ausgang gelockt. In der Steinenvorstadt in Basel feierten Dutzende Menschen – die Social-Distancing-Regeln wurden offensichtlich von vielen ignoriert. Urs Hofmann, oberster Polizeidirektor der Schweiz, gibt Antworten zu den Ereignissen vom Wochenende.
SRF: Was sagen Sie zu diesen Bildern des Feierns aus Basel?
Urs Hofmann: Völlig überrascht bin ich nicht. Es war klar: Mit der Eröffnung der Restaurants und den allgemeinen Lockerungsmassnahmen hat man das Ganze nicht mehr so im Griff wie vorher, und das ist auch die grosse Herausforderung für die Polizei, hier das Recht durchzusetzen, aber gleichwohl verhältnismässig und mit Augenmass vorzugehen.
Es wäre wünschenswert, wenn die Leute hier in Selbstverantwortung diese Massnahmen auch einhalten.
Das heisst eigentlich: Wenn man diese Bilder sieht und Ihre Aussage hört – es ist mit diesen Lockerungen nicht mehr möglich, die Richtlinien völlig umzusetzen?
So, wie es in Basel jetzt stattgefunden hat, sollte es nicht stattfinden. Es ist auch gefährlich und hat möglicherweise schlimme Auswirkungen. Aber es ist klar, dass es für die Polizei nicht mehr gleich einfach ist, heute im öffentlichen Raum und vor Restaurants, wo die Leute zusammenstehen, diese Fünfergruppen-Vorgabe und den Zwei-Meter-Abstand radikal durchzusetzen. Hier braucht es ein vernünftiges Vorgehen. Vor allem auch ein Appellieren an die Vernunft der Leute, dass sie diese Abstandsvorschriften auch künftig einhalten. Sie sind weiterhin wichtig. Und es wäre wünschenswert, wenn die Leute hier in Selbstverantwortung diese Massnahmen auch einhalten.
Diese Anwendung der Vernunft wird aber nicht in allen Kantonen gleich gehandhabt von der Polizei?
Doch. Ich glaube, die Polizei hat überall die gleichen Richtlinien. Aber die Situationen sind sehr unterschiedlich. Ob sie an der Steinenvorstadt in Basel einsetzen müssen oder ob sie irgendwo vor einem kleinen Lokal in einer Landgemeinde als Polizist tätig sein müssen, das ist natürlich nicht die gleiche Herausforderung. Es braucht dann auch das nötige Fingerspitzengefühl, dass man das Optimum erreicht, aber gleichwohl am Schluss nicht alles gewähren lässt.
Aber das heisst schon auch, wie in einer Situation in Basel, dass nicht durchgegriffen wird, im Vergleich zu einer Situation auf dem Land, wo vielleicht ein oder zwei Beizen sind?
Wenn man da durchgreifen wird, muss man präventiv durchgreifen, dann gibt es halt solche Partymeilen nicht mehr, dann müssen die geschlossen werden. Das erwägt man ja jetzt offenbar auch in Basel. Es laufen zu lassen und dann nachts um 24 Uhr den grossen Polizeieinsatz zu starten, das wird wohl nicht die richtige Strategie sein.
Für Hotspots (..) braucht es massgeschneiderte Lösungen der lokalen Polizeiverantwortlichen.
Was haben Sie noch für Rückmeldungen aus den anderen Kantonen?
Ich habe von den anderen Kantonen auch nur über die Medien gehört. Ich gehe davon aus, dass es in durchschnittlichen Kantonen ähnlich aussieht, ausser an zentralen Orten, an Hotspots wo Partys stattfinden können. Da braucht es massgeschneiderte Lösungen der lokalen Polizeiverantwortlichen.
Aber braucht es nicht auch massgeschneiderte Überlegungen für die Polizei, um schweizweit dasselbe Vorgehen zu haben?
Die Polizeien tauschen sich laufend aus, aber leider halten sich die Leute nicht immer an die zentralen Vorgaben der Polizei. Da gibt es derart viele unterschiedliche Situationen, es ist eine völlige Illusion zu meinen, man könne hier absolut eindeutige Vorgaben machen für alle Polizeien. Aber es ist klar, dass die Polizeiverantwortlichen laufend im Austausch miteinander sind.
Das heisst, es braucht kein Zeichen von nationaler Ebene, um die Arbeit der Polizisten an der Front noch zu verbessern?
Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Es ist die Frage, welche generellen Vorgaben gelten. Solange die Fünfer-Regel und die Zwei-Meter-Abstand-Regel gelten, ist es Aufgabe der Polizei, hier das Optimum zu machen, je nach konkreter Situation. Hier zu meinen, man könne von Bern aus oder woher auch immer, den Polizisten im ganzen Land für jede mögliche Situation eine Handlungsanweisung erteilen, das ist nicht möglich und wäre eine völlige Illusion.
Diese Lockerung führt zu grösseren Menschenansammlungen, es fliesst Alkohol. Das führt doch auch dazu, dass die Situation nicht mehr bis ins letzte Detail kontrolliert werden kann durch die Polizei…
Ja, das ist die Realität. Das ist der Preis der Öffnungsmassnahmen, den man in Kauf nehmen muss. Und die Polizei hat die nicht immer nur dankbare Aufgabe, das, was gilt, durchzusetzen, oder eben nur im Rahmen des Faktisch möglichen und der Verhältnismässigkeit.
Das Gespräch führte Christof Schneider.