Sind die unterschiedlichen Abschlusszeugnisse vergleichbar? Und sind Schulabgängerinnen und -abgänger mit guten Noten auch gute Berufsleute? Beim Schweizerischen Gewerbeverband sagt Direktor Hans-Ulrich Bigler: «Wir stellen fest, dass es hier nach wie vor erhebliche Differenzen gibt. Nicht nur von Kanton zu Kanton. Teilweise auch innerhalb der Kantone.»
Dass die Noten im Zeugnis nicht vergleichbar sind, stellt auch der Arbeitgeberverband fest. Kommunikationschef Andy Müller ergänzt: «Für die Arbeitgeber sind Zeugnisse ein wichtiger Indikator. Aber es ist eben nur ein Indikator von vielen. Oft ist fast wichtiger, welches Entwicklungspotenzial ein potenzieller Bewerber oder eine Bewerberin für eine Lehrstelle hat.»
Zeugnisse sind ein wichtiger Indikator. Aber es ist eben nur ein Indikator von vielen.
Und dieses Potenzial zeigt sich etwa beim Schnuppern oder in zusätzlichen Einstufungstests. Diese verlangen viele KMU und grössere Unternehmen von ihren zukünftigen Lernenden. An diesen zusätzlichen Tests im Auftrag der Lehr- und Ausbildungsbetriebe stören sich die Verantwortlichen in den Schulen schon länger.
Zeugnisse werden zu wenig genutzt
Ein Test sei nur eine Momentaufnahme, sagt Franziska Peterhans, Zentralsekretärin beim LCH, dem Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz. Die Einschätzung von Lehrpersonen sei viel präziser.
Denn sie wüssten um die Stärken und Schwächen der Jugendlichen: «Die Schule macht einen Riesenaufwand für die Bewertung. Und diese Bewertung wird vom Gewerbe oder der Berufswelt zu wenig genutzt. Da müsste man genauer hinschauen.»
Peterhans sieht Verbesserungspotenzial: «Wirtschaft, Bildungspolitik und Bildungspraxis, also die Lehrpersonen, müssten sich zusammensetzen. Man müsste brauchbarere Zeugnisse erarbeiten.» Damit rennt der LCH offene Türen ein. Das zeigt sich bei der Volksschulämterkonferenz, dem zuständigen Fachgremium der Kantone.
Schule und Beruf besser verzahnen
Ihr Co-Präsident, der Solothurner Volksschulamtsdirektor Andreas Walter, sagt, es liefen bereits Diskussionen. Das Ziel: Die beiden Welten, Abschlussklasse und Berufsalltag, besser aufeinander abzustimmen.
Dafür müsse klar sein, welche Berufslehre welche Kompetenzen verlange, sagt Walter: «Es ist wichtig, dass auch die Instrumente, die die Schulen zur Verfügung haben, entlang dieser Profile genutzt werden können. Damit sich die Schülerinnen und Schüler gezielt auf ein Berufsprofil vorbereiten können. Sodass sie dann auch einen sehr guten Einstieg haben in dieses neue Berufsfeld, das sie betreten.»
Auch in der Wirtschaft kommt dieses Bestreben gut an. Andy Müller vom Arbeitgeberverband sagt: «Wir stellen fest, dass die Berufsbilder in den Schulen zum Teil gar nicht so bekannt sind. Und dass sich zum Teil auch die Elternhäuser gar nicht so bewusst sind, welche Lehrstellen und Berufsbilder es heute gibt. Es ist wünschenswert, dass diese Berufsbilder einerseits bekannter werden, aber dass man auch besser verzahnt.»
Wenn das gelingt, sind in ein paar Jahren zum Ende des Schuljahres wohl nicht mehr so viele Lehrstellen offen wie derzeit. Zum einen, weil die Zahl der Schulabgängerinnen und -abgänger mit den geburtenstärkeren Jahrgängen wieder ansteigen. Zum andern aber, weil die Jugendlichen und die Ausbildungsbetriebe wissen, was sie erwartet.