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Weitere Details zum verhafteten Terror-Verdächtigen
Aus Tagesschau vom 17.06.2022.
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Nach Razzien im IS-Milieu Terrorhelfer sprach über mögliche Anschlagspläne in der Schweiz

Die graue Eminenz hinter den am Montag Festgenommenen suchte nach Unterstützern. Ein Berner Oberländer und ein Deutscher stehen im Fokus.

Fünf Monate sind seit dem Anschlag in Wien vergangen, bei dem ein Attentäter vier Menschen getötet und über zwanzig verletzt hat, da sitzen im April 2021 zwei Männer in einer Wohnung zusammen, die vom Alter her Vater und Sohn sein könnten: Der heute 60-jähriger Deutsche pakistanischer Herkunft und ein heute 23 Jahre alter Kosovare im Berner Oberland. Ihr Gesprächsthema damals: wie ein Anschlag in der Schweiz vorzubereiten wäre. Das geht aus einem Justizdokument hervor, das SRF vorliegt. 

Bei dem 60-jährigen Deutschen handelt es sich gemäss Recherchen von SRF um Aleem N., jenen Mann, der am Montagabend in Deutschland festgenommen wurde, zeitgleich mit drei Festnahmen in der Schweiz.

Was das festgenommene Trio im Alter zwischen 17 und 26 Jahren aus Winterthur und der ältere Deutsche im Detail gemacht haben sollen, wird derzeit ermittelt – untereinander sollen sie jedenfalls in Kontakt gestanden haben. 

Die Festgenommenen:

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Der 60-jährige Deutsche, der am Montagabend festgenommen wurde, gilt deutschen Behörden als «die Spinne im Netz». Dieses Netz spinnt sich auch in die Schweiz, wie durch die koordinierten Razzien bekannt wurde: Ein Teil der Fäden führt nach Winterthur. Dort wurden am Montagabend zeitgleich drei Männer festgenommen: ein 17-jähriger Bosnier, ein 20-Jähriger und ein 26-jähriger Schweizer.

Der 26-Jährige war Beschuldigter im sogenannten An-Nur-Prozess, wo es um Gewalt gegen einen angeblichen Spitzel ging. Er wurde jedoch nicht verurteilt. In Untersuchungshaft genommen wurde der 26-Jährige wenige Stunden nach dem Attentat in Wien im November 2020. Denn: Im Sommer zuvor hatte er den späteren Terroristen getroffen. Eine mögliche Beteiligung an Vorbereitungen zum Terrorakt erhärtete sich in der Strafuntersuchung nicht. Einen Strafbefehl erhielt er aber wegen Besitz von Gewaltdarstellung.

Auch der 20-Jährige befindet sich seit mehreren Jahren auf dem Radar der Behörden, wie die NZZ schreibt. Er soll Kontakte zu Rückkehrern aus Syrien haben. Und er soll selber geplant haben, ins Kriegsgebiet zum IS auszureisen.

Auch der dritte in der Schweiz festgenommene Mann ist in Winterthur wohnhaft, ein 17-jähriger Bosnier, der in der Schweiz aufgewachsen ist. Das Strafverfahren gegen ihn führt die Jugendanwaltschaft.

Alle drei gehören gemäss Presseberichten zum Kreis radikaler Islamisten in Winterthur – ein Kreis, der sich trotz der Schliessung der berüchtigten An-Nur-Moschee halten konnte und offenbar Nachwuchs fand.

Der um Generationen ältere Deutsche soll mit den verhafteten Winterthurern in direktem Kontakt gestanden haben. Wie die NZZ schreibt, kam es zu mindestens einem persönlichen Treffen.

Hat der Deutsche auch mit den drei Winterthurern über mögliche Anschläge gesprochen? Das ist nicht bekannt. Untereinander scheinen sich die Winterthurer und der Berner Oberländer aber zu kennen: Alle sollen sich gemäss der Aargauer Zeitung in inoffiziellen Gebetsräumen in der Region Winterthur getroffen haben, darunter auch Islamisten aus Schaffhausen, St.Gallen und anderen Kantonen.

Der Deutsche gehörte einst zum Kader von Al-Kaida in Europa, ist in Deutschland als Terrorhelfer vorbestraft und soll sich später dem selbst ernannten «Islamischen Staat» angeschlossen haben.

Hat der vorbestrafte Deutsche in der Schweiz Attentäter gesucht?

Die Aktivitäten dieses Deutschen beschränkten sich jedoch nicht nur auf den Kontakt zum festgenommenen Trio aus Winterthur, sondern gehen darüber hinaus: sie reichen bis ins Berner Oberland, wie die SRF Tagesschau am Freitag berichtete. Diese bisher nicht öffentlich bekannte Beziehung des Deutschen zum jungen Oberländer nährt einen brisanten Verdacht: Der Deutsche könnte in der Schweiz mögliche Attentäter gesucht haben. 

Der Terroverdächtige Haleem N. wird von zwei Polizisten abgeführt
Legende: «Die Spinne im Netz» Der Deutsch-Pakistaner soll versucht haben, sich ein Netzwerk von Terrorhelfern aufzubauen– auch in der Schweiz. ddp/Michael Wallrath

Fest steht: Der Deutsche und der Oberländer unterhielten sich über brisante Themen. Tests von Sprengstoff im Wald, wie man sich konspirativ zu verhalten habe, das Vermeiden von DNA-Spuren und mögliche Strafmasse bei einer Verurteilung. So ist es dem SRF vorliegenden Dokument zu entnehmen. 

Austausch über möglichen Anschlag

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Zumindest eines der Treffen wurde von der Polizei überwacht. Folgender Dialog-Auszug ist protokolliert. Uhrzeit: frühmorgens 4.57 Uhr.

Deutscher: «(...) ist schwierig hier so etwas zu machen»

Berner Oberländer: «(...) besser vorher sagen Bruder kein Kontakt mehr... ich will kein Kontakt, weisst du (...)»

Deutscher: «Hier wenn du etwas machst du musst vorher testen ob funktioniert.»

Berner Oberländer: «Jaja»

Deutscher: «Beim Test gibts einen Knall»

Berner Oberländer: «Ja»

Deutscher: «So bam. Wenn einer hört, der sagt ich hab im Wald das gehört (...)»

(...)

Deutscher: «Und ja dann sag, ich hab gehört, du kannst vielleicht weggekommen sein und du hast deine DNA dort gelassen.»

Berner Oberländer: «Mmh»

Deutscher: «(...) die haben moderne Technik ... und wenn DNA schon bei denen hast sind innerhalb weniger Zeiten verhaftet»

Gewisse Bedenken schienen demnach bestanden zu haben. Die Behörden aber waren alarmiert. Als im April 2021 der Berner Oberländer den Deutschen bat, ihm den Text des Treueschwurs, wie er in Terrororganisationen wie dem IS üblich ist, zu senden, da beschlossen die Schweizer Behörden zuzuschlagen. Sie befürchten, er könnte einen Terroranschlag verüben oder dabei helfen. Am 23. April 2021 nahm die Bundeskriminalpolizei den Berner Oberländer fest, wie es im Dokument heisst.

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Aus dem Archiv: Mutmassliche Terror-Unterstützer verhaftet
aus Rendez-vous vom 14.06.2022. Bild: Keystone (Symbolbild)
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Weil er ein Sicherheitsrisiko sei: Behörden schafften Verdächtigen aus

Bis im Juli blieb der Staatsangehörige Kosovos in Untersuchungshaft, dann wurde er in Ausschaffungshaft gesetzt. Heute befindet sich der junge Mann im Kosovo. Wie ernst war es dem jungen Mann wirklich? Diese Frage bleibt offen, da sein Anwalt aus dem Strafverfahren keine Stellung nehmen wollte. Der Mann selber war für SRF nicht erreichbar.

Trotz anfänglich gravierenden Verdachts einer möglichen Anschlagsplanung ist das Strafverfahren gegen den Berner Oberländer teilweise eingestellt worden: Dass er einen Terroranschlag vorbereitet haben könnte, dafür lägen keine Beweise vor, die vor Gericht Stand hielten, so die Einschätzung im Justizdokument. 

Polizisten bei einem Terror-Einsatz in Wien.
Legende: Terror in Wien Am 2. November eröffnete ein Schütze mitten in Wien das Feuer. Vier Menschen wurden getötet, 23 weitere verletzt. Der 20-jährige Täter wurden von der Polizei erschossen. Keystone

Offenbar ist die Initiative eher vom Deutschen Terrorhelfer ausgegangen: Er sei es grösstenteils gewesen, der Aussagen etwa über das Testen von Sprengstoff im Wald gemacht habe. Auch das stützt den Verdacht, der heute 60-Jährige könnte auf der Suche nach Terror-Rekruten gewesen sein. Sein Anwalt wollte konkrete Fragen nicht beantworten, teilte aber mit, seinem Mandanten würden keine Straftaten mit einem Bezug zur Schweiz vorgeworfen.

Ganz ungeschoren ist der Berner Oberländer aber nicht davongekommen. Per Strafbefehl hat ihn die Bundesanwaltschaft zu 180 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt, der Vollzug wird jedoch aufgeschoben unter einer Probezeit von 3 Jahren.

Das Urteil gegen den Berner Oberländer

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Der heute 23-jährige Kosovare, der im Berner Oberland wohnte, befand sich ab April 2021 insgesamt 91 Tage in Untersuchungshaft. Ein Teil der Vorwürfe erhärtete sich nicht, ein anderer Teil jedoch schon: So konnten die Bundeskriminalpolizei und die Bundesanwaltschaft etwa die Widerhandlung gegen das Al Kaida/IS-Gesetz nachweisen, das geht aus dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 3. Februar 2022 hervor.

Konkret geht es um das Abspielen sogenannter Naschids, propagandistischer Sprechgesänge, wie sie die Terrororganisation IS verbreitet. Der Berner Oberländer spielte solche Lieder einem Bekannten vor, «um auf diesen einzuwirken und ihn in seiner Befürwortung des IS zu festigen», wie es im Strafbefehl heisst. In einem der Lieder heisst es übersetzt: «Bald, bald, wir werden bald kommen. Bald werden wir das Licht des Unglaubens löschen. Die Messer sind geschärft, die Schwerter gezückt.»

Ausserdem wurde er auch des Besitzes von Gewaltdarstellungen für schuldig befunden sowie des Fahrens ohne Berechtigung und des Verstosses gegen das Waffengesetz, da er 15 verbotene Wurfmesser besass. Die BA schreibt im Strafbefehl, der Mann habe aus tiefer ideologischer Überzeugung gehandelt und bewege sich noch immer in einem salafistischen Umfeld von behördlich bekannten Personen.

Neben der Freiheitsstrafe von 180 Tagen unter Aufschub und einer Probezeit von drei Jahren, muss der Mann eine Busse von 1000 Franken bezahlen und Verfahrenskosten von 8500 Franken tragen.

«Grosses Interesse an der Ideologie der Terrororganisation IS»

Trotz Teileinstellung des Strafverfahrens: die Einschätzung des Berner Oberländers fällt nicht eben vorteilhaft für ihn aus: Der Beschuldigte habe «offensichtlich ein grosses Interesse an der Ideologie der Terrororganisation IS», heisst es im Justizdokument. Es liege der Schluss nahe, dass er sich vom gewalttätigen Gedankengut beeinflussen lasse. Denn: «Eine glaubhafte Distanzierung des Beschuldigten von den notorischen Verbrechen» sei im Rahmen der Untersuchung «an keiner Stelle auch nur ansatzweise» ersichtlich geworden.

Die An'Nur Moschee in Winterthur mit vorgefahrener Polizei und Absperrband
Legende: Islamismus-Hotspot? Die An-Nur-Moschee im Winterthurer Stadtteil Hegi geriet wiederholt in die Schlagzeilen. In der Zwischenzeit wurde die Moschee geschlossen. Keystone

Offenbar auch aufgrund dieser Risikoeinschätzung wurde an der Ausweisung des jungen Mannes aus dem Berner Oberland in den Kosovo festgehalten.  

Kosovare wehrte sich gegen Ausschaffung: Habe im Ausland «nichts»

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Seit Dezember 2016 besuchte der Mann eine Moschee, in der ein salafistischer Imam wirkte und er sich darauf zusehends radikalisierte. Schon zuvor war er wegen Tätlichkeiten, verbotenen Waffen und fahrlässiger einfacher Körperverletzung gegen ihn Strafbefehle ergangen. Als Terrorismus-Vorwürfe hinzu kamen, wurde seine vorläufige Aufnahme aufgehoben, eine Wegweisung verfügt.

Anschliessend an die Untersuchungshaft wurde der Mann deshalb in Ausschaffungshaft genommen. Damit sollte sichergestellt werden, dass er vor einem Vollzug nicht untertaucht. Diese Gefahr bestritt der Mann in einer Beschwerde. Er habe sich stets an behördliche Anordnungen gehalten.

Zudem betonte er, er sei in der Schweiz aufgewachsen, spreche perfekt Berndeutsch und habe engen Kontakt zu seiner Familie. Er war zwar ohne Arbeit und bezog Sozialhilfe, beteuerte aber, «sein berufliches Fortkommen anzugehen und hätte auch schon eine Stelle in Aussicht (gehabt)», so wird seine Beschwerde im Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern zitiert.

Ausserdem habe er ausgesagt, es würde ihm schwerfallen, die Schweiz freiwillig zu verlassen, er würde dies aber tun und einen Ausschaffungsflug antreten. Dies, obwohl er im Ausland keine Unterkunft «und nichts» habe. Das vermochte das Gericht nicht zu überzeugen, es lehnte seine Beschwerde ab, die Haft wurde mit Urteil vom 11. November 2021 bis zum 21. Januar 2022 bestätigt. Darauf wurde die Ausweisung vollzogen.

Vorsichtsmassnahmen ergriffen die Schweizer Behörden auch gegenüber dem Deutschen: Das Bundesamt für Polizei Fedpol erliess gegen ihn 2021 eine Einreisesperre für die Dauer von 20 Jahren, das geht aus der entsprechenden Verfügung hervor. In sogenannten «Joint Investigation Teams» verfolgten die Behörden mehrerer Kantone, des Bundes und deutsche Behörden das Netzwerk dann weiter – und entschieden sich zum Zugriff vom Montagabend. Der junge Berner Oberländer befindet sich derweil im Kosovo.

SRF Tagesschau, 14.6.22, 19:30 Uhr

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