Die Rottweiler-Attacke auf ein Kleinkind in Sumiswald beschäftigt den Berner Kantonstierarzt Reto Wyss auch Tage nach dem Angriff vom letzten Freitag immer noch. Die Polizei ermittelt, das Kind wurde mit schweren Verletzungen ins Spital geflogen.
Hundeverhalten hängt nicht allein von der Rasse ab
Grundsätzlich habe jeder Hund eine gewisse Gefährlichkeit in sich, erklärt Wyss. «Die Tiere stammen ja von einem Raubtier ab. Entscheidend ist aber, wie der Hund sozialisiert und erzogen wurde und wie fähig der Halter oder die Halterin ist, mit dem Tier umzugehen», sagt Wyss im Gespräch mit SRF.
Die Erfahrung zeige, dass schwere Angriffe nicht zwangsläufig rassespezifisch seien. «Es ist nicht in erster Linie die Rasse, sondern Grösse und Gewicht, die das Risiko beeinflussen. Das zeigt meine langjährige Erfahrung», sagt Wyss.
Nach dem Vorfall wird jetzt auch im Kanton Bern über ein Rottweiler-Verbot diskutiert. In anderen Kantonen wie dem Wallis oder Zürich sind bereits bestimmte Hunderassen verboten. Wyss hält wenig davon: «Wenn man eine Rasse verbietet, gibt es einfach eine andere, die dann für Vorfälle sorgt. Das Problem ist damit nicht gelöst.» Es gebe auch Mischlingshunde, eine Unschärfe bleibe so oder so.
Im Kanton Bern setze man bewusst auf individuelle Massnahmen statt auf Rassenlisten, also Kampfhundeverbote. «Unser Hundegesetz nimmt bewusst die Halter und die Halterinnen in die Verantwortung. Bei Problemen ordnen wir gezielte Massnahmen an», schildert Wyss.
Hunde als Statussymbole
Gerade kräftige Hunderassen sind bei gewissen Leuten ein Statussymbol: «Das war schon immer so und ist es heute noch. Die Frage ist aber, ob die Halter wirklich fähig sind, mit solchen Tieren umzugehen.» In problematischen Fällen kann der Kanton Massnahmen wie Leinen- oder Maulkorbpflicht anordnen, Halter verpflichten, Kurse zu besuchen oder ihnen im Extremfall sogar den Hund wegnehmen.
Ob der Kanton Bern sein Hundegesetz nach dem aktuellen Vorfall verschärft, bleibe eine politische Frage. Wyss jedenfalls hält das bestehende System für angemessen: «Wenn es so einfach wäre, schlimme Vorfälle zu verhindern, hätten wir längst die perfekte Lösung. Doch leider ist es nicht so einfach – und es wird wohl immer wieder solche tragischen Fälle geben», so Wyss.