Die Recherchen der «SRF-Rundschau» lösen im Kanton Uri Betroffenheit aus. In der Sendung berichten ehemalige Schüler des Gymnasiums Karl Borromäus in Altdorf von wiederholten sexuellen Übergriffen in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Ein Pater zwang einen Schüler zum Oralverkehr. Ein weiterer Pater fotografierte Schüler nackt unter dem Vorwand, er brauche die Abzüge für den Aufklärungsunterricht. Die Recherche zeigt auch, wie die Schulleitung, der zuständige Benediktiner-Abt und die damalige Urner Regierung die Missbräuche jahrelang vertuschten.
Das Kollegium Karl Borromäus wurde damals als Privatschule mit Internat von Benediktiner-Mönchen des Klosters Mariastein im Kanton Solothurn geführt. Diese Mönche waren als Lehrpersonen tätig und waren für die Führung des Internats zuständig.
Man hat damals die Institutionen, den Ruf der Schule und der Kirche höher gewichtet als die Leiden der Opfer.
Der heutige Urner Regierungsrat und Bildungsdirektor Georg Simmen zeigt sich erschüttert: «Meines Erachtens hat man damals die Institutionen, den Ruf der Schule und der Kirche höher gewichtet als die Leiden der Opfer. Die hat man fast negiert.»
Aktuell habe der Kanton Uri nur sehr wenige Informationen über die Missbrauchsfälle am Kollegium Karl Borromäus. «Eine Aufarbeitung dieser Übergriffe und der Rolle der Behörden ist uns aber sehr wichtig», sagt Simmen.
Arbeitsgruppe soll Hinweise sammeln
Zu diesem Zweck hat die Urner Regierung eine Arbeitsgruppe gebildet. Diese sammelt Hinweise und Informationen, um den Zeitraum und mögliche Täter der Übergriffe einzugrenzen. Die Arbeitsgruppe arbeitet mit der Universität Zürich zusammen, die sich in einer schweizweiten Studie mit Missbrauchsfällen in katholisch geführten Institutionen befasst.
Aufgrund der Recherche hat der Kanton Uri Betroffene aufgerufen, sich zu melden, falls sie bereit sind, über sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche zu berichten. Nach der Berichterstattung seien denn auch bereits weitere Meldungen eingegangen, sagt Ralph Aschwanden, der Kinder- und Jugendbeauftragte des Kantons Uri. Diese Hinweise würden – auf Wunsch anonym – an die Leitenden der Studie der Universität Zürich weitergeleitet.
Ihnen sei es wichtig, den Betroffenen zuzuhören, so Ralph Aschwanden. Es könnte sich zeigen – und davon müsse er leider nach den ersten Rückmeldungen ausgehen –, dass sich die Missbrauchsfälle über einen längeren Zeitraum erstreckten.
Es sei deshalb möglich, dass die Arbeitsgruppe bei der Regierung eine separate Studie beantrage. Die Regierung würde dann eine spezifische Studie in Auftrag geben, die speziell auf den Kanton Uri fokussiert.