Die SVP ist klare Siegerin in der Zwischenbilanz eineinhalb Jahre nach den nationalen Wahlen. Ob St. Gallen, Schwyz, Aargau oder letzten Sonntag Neuenburg: In fast allen kantonalen Wahlen hat die Rechtspartei Sitze gewonnen.
Für Sean Müller, Assistenzprofessor am Institut für Politikwissenschaften der Universität Lausanne, ist ein Ende des Höhenflugs nicht absehbar: «Ich halte es für möglich, dass die SVP bei den nächsten nationalen Wahlen auf über 30 Prozent kommt.» Zum Vergleich: Ihr bisheriges Rekordergebnis erzielte die SVP 2015 mit 29.4 Prozent. Bittere Zeiten sieht Politologe Müller auf FDP und Grünliberale zukommen.
«FDP-Kurs hilft eher der SVP»
Die FDP verliert in zehn Kantonen kumuliert elf Parlamentssitze. Nur die Grünen verlieren (deutlich) mehr. Die Grünen allerdings hatten bei den vorletzten Wahlen zugelegt. «Für die FDP hingegen geht es konstant nach unten», sagt Sean Müller.
Laut dem Politikwissenschafter wechseln FDP-Wählende verstärkt zur SVP. Ein Grund sei der Rechtskurs auf nationaler Ebene: «Nähert sich eine Partei den Themen rechtsnationaler Parteien an, dann stärkt das immer das Original, in dem Fall die SVP», sagt Müller. Dies, weil deren Themen legitimiert und gestärkt würden.
Die SVP holt sich Wählende zurück, die sie vor acht Jahren verloren hat. Zudem spricht die Themenkonjunktur für sie.
Die Mitte-Partei behauptet sich – auch dank Frauen
Eine kleine Erfolgsgeschichte schreibt die Mitte-Partei. Ihre Gewinne und Verluste in den Kantonen halten sich mehr oder weniger die Waage. Die ehemalige CVP stoppt ihren langjährigen Abwärtstrend. Frappant ist das in den konservativen Stammlanden: Hier scheint der Abfluss Richtung SVP gestoppt.
Politologe Sean Müller sieht einen weiblichen Erfolgsfaktor: «Die Mitte-Partei hat konsequenter auf Frauen gesetzt und spricht damit verstärkt jüngere Frauen und Frauen im mittleren Alter an.» Ein zweiter Erfolgsfaktor: Das Argument, die Mitte-Partei sei eine Garantin gegen die Polarisierung, scheint zu ziehen.
Die SP als «heimliche Gewinnerin»
Die SP erwischte im letzten Jahr einen schlechten Start, seither aber legt sie gemessen an kantonalen Parlamentssitzen zu. Sean Müller spricht von einer «heimlichen Gewinnerin», weil die Sozialdemokraten keine grossen Wahlgewinne eingefahren haben. Vielmehr gewinnen sie in kleinen Schritten an Terrain.
Zum Erfolg der SP tragen die Grünen bei - die Ergebnisse der beiden Parteien stehen häufig in Beziehung zueinander: Verluste der einen Partei gehen regelmässig mit Gewinnen der anderen Partei einher.
Grüne Politik in der Krise – schlechte Aussichten für Grünliberale
Sowohl die Grünen (minus 20 Sitze) als auch die Grünliberalen (minus acht) verlieren in den Kantonen deutlich. Ein Problem grüner Politik sieht Sean Müller neben der Themenkonjunktur scheinbar paradoxerweise auch bei den Erfolgen grüner Politik der letzten Jahre beim Klimaschutzgesetz und beim Stromgesetz: Nun fehle etwas der Problemdruck, den es brauche für eine starke Mobilisierung.
Müller stellt den Grünen allerdings die bessere Prognose als den Grünliberalen: Die Grünen seien stärker verankert als die Grünliberalen und dürften alleine wegen ihrer Stammwählenden nicht mehr viel weiter sinken. Diese Stammwählerschaft fehle den Grünliberalen. Auch würden ihnen bekannte Köpfe als Zugpferde fehlen.