Für Bund und Parlament ist es ein adäquates Mittel, der wachsenden Terrorgefahr zu begegnen: Beide Räte hatten das revidierte Nachrichtendienst-Gesetz (NDG) mit deutlichem Mehr verabschiedet. Am 25. September entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Vorlage, nachdem eine Allianz linker Gruppierungen das Referendum ergriffen hatte.
Klar ist: Mit dem neuen Gesetz hätte der Nachrichtendienst des Bundes deutlich weitreichendere Überwachungsmöglichkeiten. So könnte er bei Verdacht Briefe lesen, Telefongespräche mitverfolgen, Wanzen in Privaträumen deponieren und den Internet-Verkehr kontrollieren. Doch sind diese Instrumente ein Garant für mehr Sicherheit im Land oder machen sie uns alle zu gläsernen Bürgern?
Das «Präventionsgesetz»
Für Verteidigungsminister Guy Parmelin ist die Vorlage eindeutig «ein Präventionsgesetz», wie er gleich zu Beginn der Sendung erklärte. «Wir müssen uns besser vorbereiten, um Anschläge zu verhindern.» Schliesslich seien die Nachrichtendienste «die Augen und Ohren eines Landes», so Parmelin. Um ihre Arbeit zu tun, bräuchten sie aber mehr Kompetenzen. «Sonst sind wir blind.» Ein anderes Bild mit ähnlicher Aussagekraft wählte CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler: «Unser Nachrichtendienst fährt mit der Pferdekutsche umher, alle anderen reisen im Ferrari. Die fahren uns davon.»
Der Appell der beiden Gesetzes-Befürworter, dem Nachrichtendienst zu vertrauen, verhallte auf linker Seite allerdings ungehört. «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser», sagte Juso-Präsidentin Tamara Funiciello. Zumal die Geschichte des Schweizer Nachrichtendienstes geradezu gespickt sei mit Pannen – die Fichenaffäre vor 25 Jahren sei nur ein unrühmliches Beispiel. Mehr Überwachung bedeute zudem keineswegs eine Erhöhung der Sicherheit, doppelte Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne) nach. «Weder Brüssel noch Paris konnten die Anschläge verhindern, obwohl deren Geheimdienste massiv mehr Kompetenzen haben.»
Internet-Überwachung: Stein des Anstosses
Der wohl umstrittenste Punkt bei der Gesetzesrevision ist die sogenannte Kabelaufklärung, also die Auswertung des Datenaustausches im Internet, der in Glasfaserkabeln die Schweizer Grenze passiert.
Die linke Seite fürchtet, dass auf diese Weise die Privatsphäre unbescholtener Bürger massiv verletzt werden könnte. Ein Vorwurf, den der Verteidigungsminister nicht gelten lassen will. Einerseits müsse für eine solche Massnahme eine konkrete Bedrohung vorliegen. Andererseits, so betonte Guy Parmelin wiederholt, müsse der Nachrichtendienst bei der Kabelaufklärung eine Genehmigung einholen: Zuerst von einem Bundesrichter, dann vom Verteidigungsminister selbst, der schliesslich auch noch seine Kollegen im Justiz- und Aussendepartement zu konsultieren habe. «Das ist doch keine Massenüberwachung», wehrte sich der Waadtländer.
Nur ein Dutzend Fälle jährlich?
Durchaus, befand jedoch Grünen-Nationalrat Glättli. Schliesslich gingen auch .ch-Adressen teilweise über Server im Ausland. «So darf der Geheimdienst problemlos meine Daten durchsuchen.» Daran konnte auch die Beteuerung von Bundesrat und NDB, man werde wohl gerademal in zehn bis zwölf Fällen jährlich zu Mitteln wie der Kabelaufklärung greifen, nichts ändern. Vielmehr ortete Glättli noch ein weiteres Problem: «Für Terroristen ist es ein Leichtes, sich eine App runterzuladen, um dann verschlüsselt zu kommunizieren.» Und Juso-Chefin Funiciello folgerte: «Wir opfern unsere Freiheit auf dem Altar der Sicherheit.»
Bundesrat Guy Parmelin blieb dabei. Gerade heute sei in Frankreich vermutlich ein Terroranschlag dank Überwachung vereitelt worden. Einem Problem ist sich indes selbst der Befürworter der Vorlage bewusst: «Auch dieses Gesetz wird nicht alle Angriffe vermeiden können.»
So ernsthaft die Debatte geführt wurde, so locker sollte die Runde enden: Moderator Mario Grossniklaus wollte von seinen Gästen wissen, wem sie gerne eine Wanze unterjubeln würden. Die Antworten finden Sie hier.