Zürich Niederdorf, kurz nach 21 Uhr. Geschäftsführerin Anja Ackermann steht vor dem Eingang ihrer Safari-Bar. Neben ihr ein Tischchen mit Desinfektionsmittel und einer Gästeliste. Sie fragt jeden neuen Gast, ob er sich auf der Liste eintragen möchte. «Ich mache alles, was der Bund sagt», so die Bar-Chefin. Denn ohne Grund seien die Auflagen ja nicht gemacht worden.
Seit 16 Uhr ist die Safari-Bar offen. Trotz Montagabend und Regenwetter sei das Lokal recht gut besucht, denn viele Stammgäste hätten es kaum erwarten können, dass die Bar wieder öffne. Nils ist so ein Stammgast – aber nicht von der Safari-Bar, sondern vom Big Ben Pub, das sich nur wenige Meter entfernt befindet.
Nils meint schon fast melancholisch: «Es ist schön. Mein Daheim, meine zweite Stube, ist wieder offen. Ich gehöre zum Inventar.» Die Auflagen mit Desinfizieren und Gästeliste sind ihm egal – aber die Abstandsregeln machen Nils Mühe – denn das Big Ben sei nun mal ein klassisches Pub mit grossem Tresen: «Als Stammgast vermisse ich die Gespräche mit dem Personal an der Bar. Jetzt sitze ich separiert hinten in der Ecke.»
Man bleibt auf Distanz
Stammgast Fredy findet dies auch speziell, stört sich aber weniger daran: «Für mich war klar, dass ich komme. Und ich komme diese Woche wahrscheinlich noch zweimal.»
Man merkt, dass die Leute teilweise Distanz suchen und sich aus dem Weg gehen. Es gibt eine Zurückhaltung, man ist nicht mehr ganz so offen.
Das Pub ist gut gefüllt. Ungewöhnlich gut für einen Montag sagt Big-Ben-Geschäftsführer Egon Lehnherr zufrieden. «Montag ist sonst ein ruhiger Tag. Heute haben wir von den Stammgästen profitiert, die endlich wieder raus und ein Bier in der Freiheit trinken wollten.» Auf Plexiglaswände als Spuckschutz am Tresen hat Lehnherr verzichtet. Das sei nicht nötig, weil an der Bar nur ausgeschenkt werde.
Auch in der Bar Corazon sieht auf den ersten Blick alles so aus wie vor Coronazeiten. Kellner Jamiro Helg freut sich, dass er endlich wieder Gäste bedienen kann. «Es ist komisch. Wir hatten hier eine Baustelle und plötzlich sind wieder Leute hier. Es ist schön. Aber ich bin noch nicht ganz gelandet.»
Und wenn auch hier Trennscheiben und Bodenmarkierungen fehlen, sei es nicht mehr so wie vor dem Shutdown: «Man merkt, dass die Leute teilweise Distanz suchen und sich aus dem Weg gehen. Es gibt eine Zurückhaltung, man ist nicht mehr ganz so offen.»
Bleibt noch die Frage nach den Masken beim Personal. Ob Corazon, Big Ben oder Safari, weder Chef noch Angestellte tragen einen Gesichtsschutz. Safari-Bar-Chefin Ackermann sagt dazu stellvertretend für alle Lokalbetreiber: «Sie müssen nicht. Und die meisten wollen das auch nicht. Mit den Masken erkennt man keine Mimik mehr, und die ist nun einmal wichtig.»
Ackermann begrüsst bereits wieder Gäste. Es sind zwei Männer, die von der Langstrasse kommen. In der eigentlichen Zürcher Partymeile sei tote Hose, meint einer. Deshalb habe es sie ins Niederdorf gezogen, dem ursprünglichen Zürcher Ausgehviertel.