Alles wird zäh. Die Zeit zieht sich in die Länge, Licht und Lärm werden unerträglich. Nur das abgedunkelte Zimmer verschafft Linderung. «Dann kann es zu einem Crash kommen. Manchmal dauert er nur ein paar Stunden, manchmal zwei, drei Tage», sagt Nina Groves.
Die 18-Jährige aus Baden AG leidet seit einem Jahr an Long Covid, auch bekannt als Post Covid. Einen Crash, also einen Zusammenbruch, hat sie letztes Jahr mehrmals durchgemacht. Unterdessen ist es seltener.
Ich war ein- oder zweimal im Ausgang und habe danach gemerkt, dass es zu viel war.
Die junge Frau hat ihr Leben laut eigener Aussage im Griff – auf einem tieferen Energielevel und einer kürzeren Konzentrationsspanne als früher. Sie müsse abwägen: «Ich war ein- oder zweimal im Ausgang und habe danach gemerkt, dass es zu viel war. Aber schlussendlich war es ein schöner Abend. So muss man eine Balance finden.»
Dank Teilzeit-Lehre zum Abschluss
Den Umgang mit Long Covid musste Nina Groves mühsam lernen. Vor allem musste sie merken, was energietechnisch geht und was nicht. Dazu trug sie zehn Steine in der Hosentasche. Nach jeder Anstrengung steckte sie einen der Steine in die andere Tasche. Ein leerer Sack bedeutete: lieber einen Gang zurückschalten.
Trotz der Einschränkungen durch ihre Krankheit schliesst die 18-Jährige im Sommer ihre Lehre als Fachfrau Betreuung in einer Kinderkrippe ab. «Ich arbeite mit einem 50-Prozent-Pensum – jeweils einen halben Tag.» Ihr Lehrbetrieb ermöglicht, dass sie seit einem Jahr Teilzeit arbeiten kann. 50 Prozent ist Nina Groves krankgeschrieben. Trotzdem könne sie in der Lehre und der Berufsschule eine gute Leistung bringen.
In der Berufsschule weiss man um ihre besondere Situation. Nina Groves kann sich nicht mehr gleich lange am Stück konzentrieren oder hat Probleme mit der Rechtschreibung. Kürzlich hatte sie in der Schule aber ein Erfolgserlebnis. Ihre Vertiefungsarbeit ist im Rennen um einen Preis für die beste Arbeit an der Berufsfachschule Gesundheit und Soziales in Brugg.
«Wand zwischen Gehirn und dem Rest»
Zusammen mit ihren Kolleginnen Lea Engeloch und Jasmina Komander plante, zeichnete und produzierte sie ein Bilderbuch. Darin erkrankt ein Mädchen an Long Covid. Sein kleiner Bruder lernt, wie er trotzdem Zeit mit ihr verbringen kann.
Autobiografisch sei die Geschichte nicht, erzählt die Lernende. Die Charaktere seien frei erfunden. Natürlich steckten aber eigene Erfahrungen in der Geschichte
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Bild 1 von 2. Das Bilderbuch von Nina Groves und ihren Kolleginnen ist auch in ihrer Kinderkrippe beliebt. Immer wieder muss sie die Geschichte vorlesen. Bildquelle: Nina Groves.
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Bild 2 von 2. In der Geschichte lernt Finn, mit der Krankheit seiner grossen Schwester Mia umzugehen. Bildquelle: Nina Groves.
Auch bei ihrer Arbeit in der Kinderkrippe stösst das Bilderbuch auf Interesse. Einige Kinder wollten die Geschichte immer wieder vorgelesen haben.
Dass sich Nicht-Betroffene für die Auswirkungen von Long Covid interessieren, ist für Nina Groves eine gute Erfahrung. Den Zustand eines Crashs zu erklären, sei allerdings schwierig. «Man fühlt sich, als hätte man eine Scheibe vor dem Kopf. Eine Wand zwischen dem Gehirn und dem Rest.»