«Ich bin beunruhigt», sagt Lisa Mazzone. Sorgen macht der Präsidentin der Grünen der jüngste Beschluss des Ständerats zur Landwirtschaft. Die kleine Kammer hat – wie vor ihr schon der Nationalrat – beschlossen, dass Bäuerinnen und Bauern doch nicht 3.5 Prozent der Ackerflächen für die Biodiversität ausscheiden müssen.
Dabei hatte der Bundesrat diese Massnahme vor vier Jahren als Teil des indirekten Gegenvorschlags zur Trinkwasserinitiative vorgeschlagen und später definitiv beschlossen.
Das Parlament verschob die Einführung dieser Massnahme zweimal, jetzt also das definitive Aus. SVP-Ständerätin Esther Friedli begründete dies im Rat unter anderem damit, die Landwirtschaft unternehme heute schon viel zugunsten der Artenvielfalt, und es sei wichtig, die Ackerböden für die Produktion von Nahrungsmitteln zu bewahren.
Umweltschutzanliegen haben es im neuen Parlament schwer
Doch für die Grüne Lisa Mazzone wäre die Einführung genau dieser Biodiversitätsförderflächen «extrem wichtig» gewesen: «Das Parlament hat versprochen, dass das Risiko von Pestiziden halbiert werden muss. Und jetzt wischt das Parlament diese wichtigste Massnahme vom Tisch.» Für Mazzone zeigt das exemplarisch, wie schwer es Umweltschutzanliegen im neuen Parlament haben. «Das Parlament geht nicht nur nicht mehr vorwärts, es geht sogar rückwärts», sagt Mazzone enttäuscht.
Das Parlament ist nach den eidgenössischen Wahlen im letzten Herbst nach rechts gerückt. Im Nationalrat haben die linken und die Mitte-Parteien zusammen elf Sitze verloren.
Stärker geworden sind mit den Wahlen insbesondere die SVP-Fraktion und die Bauern. Diese veränderten Machtverhältnisse schlagen sich auch in der Asyl- und Migrationspolitik nieder, dem Kerndossier der SVP. «Wir haben jetzt den einen oder andern Vorstoss in der Asylpolitik durchgebracht, der in der letzten Legislatur noch nicht mehrheitsfähig gewesen wäre», sagt SVP-Asylpolitikerin Martina Bircher.
So sagte der Nationalrat am Montag Ja zur Ausweisung von abgewiesenen Eritreern in ein Transitland. Eine Forderung, die FDP-Ständerätin Petra Gössi eingebracht hatte und deren Realisierbarkeit als höchst ungewiss gilt. Eritrea weigert sich strikt, Eritreerinnen und Eritreer zurückzunehmen, die nicht freiwillig zurückkehren. Keinem Land ist es bisher gelungen, ein entsprechendes Rücknahmeabkommen mit Eritrea abzuschliessen. Darum ist die Forderung kaum mehr als Symbolpolitik. Doch die Motion fand im Nationalrat eine deutliche Mehrheit.
Wermuth: Mitte und FDP wollen auch Härte zeigen
FDP und SVP stimmten geschlossen Ja, ebenso die grosse Mehrheit der Mitte. Und der Ständerat stimmte heute einer Verschärfung des Status S zu – eine Forderung der SVP. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth interpretiert den restriktiveren Asylkurs im Parlament so: «Die Mitte und der Freisinn sind massiv unter Druck der SVP. Sie versuchen jetzt zu zeigen, dass sie auch Härte zeigen können in Migrationsfragen.»
Auch in der Gesellschaftspolitik hat der neu zusammengestellte Nationalrat einen ersten Entscheid getroffen, der eine Korrektur früherer Entscheide bedeutet. Und zwar hatte der Nationalrat in der vorherigen Legislatur dreimal grundsätzlich Ja gesagt zu Stimm- und Wahlrecht 16. Beim vierten Mal aber – nach den Wahlen – stimmte der Nationalrat Nein.
Die entsprechende parlamentarische Initiative stammt von der Grünen Sibel Arslan. Sie spricht von einer «Machtdemonstration» im Parlament. Die Bürgerlichen würden sich nach rechts orientieren und progressive Vorhaben wie das Stimmrecht 16 verhindern.
Einzelne Gegenbeispiele gäbe es natürlich auch – zum Beispiel das bürgerliche Anliegen einer Tonnagesteuer, die der Nationalrat in der vorherigen Legislatur noch unterstützte, jetzt aber versenkt hat. Doch der Trend ist klar: Das neu zusammengesetzte Parlament tickt konservativer, und gerade in der Asylpolitik sind Forderungen erfolgreich, die in den vergangenen Jahren im Parlament keine Chance gehabt hätten.