Die Ukraine wieder aufzubauen wird Hunderte Milliarden Franken kosten. Die Frage ist, wie viel die Schweiz beisteuern soll. Aussenminister Ignazio Cassis wollte ursprünglich rund sechs Milliarden Franken über zehn Jahre verteilt ausgeben.
Das Problem aber: Die Bundeskasse ist leer und es zeichnet sich ein Verteilkampf ab zwischen Ukraine-Wiederaufbau und der «normalen» Entwicklungshilfe für den globalen Süden. Nun hat der Nationalrat einen Vorentscheid gefällt: Es soll keinen speziellen Fonds für die Ukraine geben. Bundeshausredaktor Dominik Meier erklärt, welche Folgen der Entscheid hat – und wie die Gelder eingesetzt werden könnten.
Was bedeutet der Entscheid des Nationalrats gegen einen Fonds?
Er ist eine wichtige Weichenstellung. Denn ohne Fonds muss das Geld für die Ukraine aus dem normalen Bundesbudget kommen. Das heisst: Es gilt die Schuldenbremse und somit gibt es angesichts der leeren Bundeskasse kaum zusätzlichen Spielraum. Möglich gemacht hat dies die Mitte-Partei. Sie ist auf die Linie von FDP und SVP eingeschwenkt. Aussenminister Ignazio Cassis hat im Nationalrat auch angekündigt, dass wegen der klammen Bundeskasse bis und mit 2028 nur Geld aus dem Topf der Entwicklungshilfe an die Ukraine werde fliessen können. Im Schnitt etwas weniger als 400 Millionen Franken pro Jahr – auf Kosten der übrigen Entwicklungshilfe. Hilfsorganisationen und Linke wehren sich dagegen.
Sind die 6-Milliarden-Pläne von Aussenminister Cassis noch realisierbar?
Sechs Milliarden Franken verteilt auf zehn Jahre - mit den jetzt angekündigten Zahlen für die nächsten Jahre kommt man nicht auf diesen Betrag für die Ukraine. Aus dem Umfeld des Aussenministers war heute zu hören, dass eine Aufstockung der Gelder erst für die Zeit ab 2029 geplant werde. Das heisst, es geht langsamer als geplant. Zudem ist offen, woher das zusätzliche Geld kommen soll. Die Situation der Bundesfinanzen ist laut den offiziellen Prognosen 2029 noch prekärer als heute.
Könnten russische Gelder für den Wiederaufbau verwendet werden?
In der Schweiz liegen 7.4 Milliarden Franken der russischen Zentralbank. Das Bundesamt für Justiz hat Zweifel, ob es völkerrechtlich zulässig wäre, diese Gelder einzuziehen. Auch in der EU gibt es Zweifel. Im Januar am WEF in Davos hat sich Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck skeptisch gezeigt: Denn Russland würde wohl im Gegenzug europäische Firmen enteignen. Zentralbank-Gelder gälten nach einer Einziehung zugunsten der Ukraine generell nicht mehr als sicher. Aktuell plant die EU, bloss die Erträge auf den Zentralbank-Geldern abzuschöpfen. Ob das für die Schweiz machbar wäre, konnte die Bundesverwaltung auf Anfrage nicht beurteilen. Eine realistischere zusätzliche Geldquelle sind vor Jahren blockierte Gelder aus dem Umfeld des früheren, russlandtreuen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Hier geht es jedoch «nur» um 130 Millionen Franken.
Was könnte die Schweiz in der Ukraine tun?
Aus der Bundesverwaltung sind konkrete Ideen zu vernehmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) möchte zum Beispiel einen Wiederaufbau, der auch Schweizer Interessen dient: Der Bund würde demnach Schweizer Firmen Aufträge für den Wiederaufbau der Ukraine bezahlen. Ein bestimmter Teil der Wertschöpfung müsste dabei in der Ukraine selbst geschehen. Eine weitere Idee: Die Schweizer Exportrisiko-Versicherung würde Lieferungen in die Ukraine voll absichern – mithilfe von Schweizer Staatsgarantien. Fix ist davon allerdings noch nichts.