Grosse gemeinsame Verhaftungen von mutmasslichen Mafiamitgliedern in Italien und der Schweiz gab es schon mehrmals. Neu wollen die beiden Länder nun aber «permanent» zusammenarbeiten und sich auch auf strategischer Ebene regelmässig austauschen. Das haben die beiden obersten Mafiabekämpfer Italiens und der Schweiz heute bei einem Treffen in Bern beschlossen.
Der italienische Antimafia-Staatsanwalt Giovanni Melillo erklärt gegenüber SRF, vor allem eine Mafia-Organisation sei hierzulande stark verbreitet: «Besonders beunruhigend ist die Präsenz der ’Ndrangheta in der Schweiz.»
Besonders beunruhigend ist die Präsenz der ’Ndrangheta in der Schweiz.
Die Mafia nutzt die Schweiz laut den beiden Mafiabekämpfern inzwischen auch als Ausgangspunkt für Aktionen in Italien – eine neue Entwicklung. Melillo erklärt: «Es gibt ’Ndrangheta-Mitglieder, die in der Schweiz ansässig sind und gewaltsame Einschüchterungs-Aktionen in der Lombardei, im Piemont oder in Venetien durchführen.» Es gebe klare Hinweise, dass diese Aktionen aus der Schweiz gesteuert würden und nicht aus Italien. «Die Mafia ist eine Organisation, die in der Regel Gewalt in Reichtum umwandelt.» Ihre Präsenz in der Schweiz sei ein klar strategischer Entscheid.
Die Schweiz – Rückzugsort der Mafia
Melillo ist erst seit diesem Sommer im Amt als oberster Antimafia-Staatsanwalt, und seine erste Auslandreise führt ihn ausgerechnet in die Schweiz. Ein klares Signal, wie wichtig für die Italiener die Zusammenarbeit mit den Schweizer Behörden ist. In italienischen Medien wurde die Schweiz wiederholt als wichtigster Rückzugsort für die Mafia bezeichnet.
Bundesanwalt Stefan Blättler betont, man habe in letzter Zeit viele Auslieferungen an Italien gewährleisten können. «Aber wir können da noch besser werden, noch intensiver zusammenarbeiten und vor allem auch selbst Verfahren führen. Das ist auch eins meiner Ziele.»
Mafiosi mit Schweizer Pass
Über das Treffen der beiden obersten Mafiabekämpfer in Bern durfte nichts publik werden bis zur Abreise Melillos am Dienstagabend – aus Sicherheitsgründen. Nur zwei Medienhäuser waren informiert.
Stefan Blättler erklärt, für die Schweiz sei die Zusammenarbeit mit Italien unter anderem deshalb zentral, weil es sich nicht nur um Personen handle, die aus Italien zugewandert seien. Teilweise hätten sie den Schweizer Pass und seien gut integriert. Dies erschwere die Ermittlungen - und die Kooperation mit Italien könne dabei helfen, die Personen zu finden. Das sei auch deshalb wichtig, weil es keinen Wirtschaftssektor in der Schweiz gebe, in dem die Mafia nicht aktiv sei.
Künftig wollen Blättler und Melillo sich mindestens zweimal pro Jahr in Bern oder Rom treffen – und es soll auch häufiger italienisch-schweizerische Ermittlungsteams geben.
«Einfacherer Kontakt mit Brüssel als zwischen mehreren Kantonen»
Blättler betont auf Anfrage von SRF aber auch, dass sich innerhalb der Schweiz dringend etwas bewegen müsse. Dies betreffe den Datenaustausch. Benötigt werde ein nationales kriminalpolizeiliches Informationssystem, damit die Kantone ihre Daten besser austauschen könnten. «Zum Teil ist es einfacher, mit Brüssel zu kommunizieren im Rahmen der Schengen-Zone als zwischen mehreren Kantonen in der Schweiz.»
Die Daten müssten endlich einheitlich erfasst werden. «Ohne dieses System sind wir teilweise blind und das können wir uns auf Dauer sicher nicht leisten.» Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren sei derzeit dabei, eine Lösung zu erarbeiten.