Die Stoosbahn wirbt damit, die «steilste Standseilbahn der Welt» zu sein. Ab Schwyz hinauf auf den Stoos (1300 Meter über Meer) beträgt die Steigung teilweise 110 Prozent. Erst vor fünf Jahren wurde die Bahn gebaut und seit kurzem hat sie ein neues Energiekonzept.
Die Bergbahn nutzt die «rekuperative Energie», die beim Bremsen entsteht, und die Abwärme aus dem Maschinenraum. Beides wird umgewandelt und versorgt das neue Hotel «Stoos-Lodge» mit Warmwasser.
Wassertanks als Wärmespeicher
René Koch ist Ingenieur und Seilbahnfachmann. Er erklärt das Prinzip: «Beim Anfahren braucht die Bahn Energie. Sobald sie beim Herunterfahren in den Steilhang kommt, kippt es. Dann geben die Elektromotoren Strom ab und wir können einen Grossteil der eingesetzten Energie zurückgewinnen.»
Das Verfahren der Rekuperation wird beispielsweise auch bei Elektroautos genutzt. Da wird die Batterie beim Bremsen aufgeladen. Das Prinzip ist nicht neu, anders ist bei der Stoosbahn aber, wie effizient der Strom genutzt werden kann. Das Umwandeln von Strom zu warmem Wasser funktioniert ähnlich wie mit einem Tauchsieder oder Wasserkocher.
Bei dieser Umwandlung verliert man praktisch keine Energie.
René Koch: «Wir erhitzen zwei Wassertanks auf zirka 90 Grad. Bei dieser Umwandlung verliert man praktisch keine Energie.» Die zwei Tanks fassen je 5000 Liter Wasser und sind die Wärmespeicher. Der Wirkungsgrad ist relativ gross. Die gewonnene Energie durch das Bremsen und die Abwärme beträgt 410'000 Kilowattstunden. Das entspricht pro Jahr einer Ersparnis von 41‘000 Litern Heizöl.
Die Bahn wurde 2017 eröffnet, das Hotel Stoos-Lodge wird in diesen Tagen fertig. So konnte man schon beim Bau auf die Energieeffizienz achten. Ein Vorteil zur optimalen Nutzung des gewonnenen Stroms ist sicher die geografische Nähe. Der Weg zwischen Bahn und Hotel ist kurz. So verpufft unterwegs keine Energie und auch für den Bau war die Nähe ein Vorteil.
Es ist eine Kreislaufwirtschaft auf engstem Raum.
Dennoch: Dass im neuen Hotel warmes Wasser aus der Dusche von 100 Zimmern und im Wellnessbereich sprudelt, ist vertraglich geregelt. Hotel und Bahn sind unterschiedliche Betriebe und das Hotel kauft der Bahn den Strom ab.
Gerade in Zeiten hoher Energiepreise geht diese Rechnung aber auf, sagt Marcel Neuhaus, Geschäftsführer Stoos Hotels: «Wir haben die Möglichkeit von der Stoosbahn vergünstigten Strom zu beziehen. Das ist für uns ideal, denn es ist eine Kreislaufwirtschaft auf engstem Raum. Die Energie und das Geld bleiben im Dorf.»
Potenzial für andere Orte
Die Schweiz ist das Land der Bergbahnen. An vielen Orten gibt es ein Restaurant oder ein Hotel bei der Bergstation. Für Olivier Duvanel, Elektroingenieur an der Hochschule Luzern für Technik und Architektur, hat die Technologie deshalb grosses Potenzial. «Der grosse Vorteil: Wir können die Verluste des Antriebes verwenden und sparen fossile Energie. Das ist ein guter Beitrag zur Reduktion des Co-2-Ausstosses.»
Die Anwendung sei gar nicht so kompliziert: «Es braucht eine gute Zusammenarbeit zwischen der Seilbahntechnik und der Gebäudetechnik. Ist das gegeben, kann man tolle Projekte aufgleisen.»
Auf dem Stoos empfängt das neue Hotel am 15. Dezember die ersten Gäste. Marcel Neuhaus ist nach mehreren Tests zuversichtlich, dass alles funktioniert und meint schmunzelnd: «Frieren muss sicher niemand – im Gegenteil: Unsere Gäste können mit gutem Gewissen etwas länger duschen.»