Wo verbreitet sich Delta derzeit? In Lissabon müssen die Menschen ab Freitagnachmittag in einen Shutdown. Grund dafür ist, dass sich die Delta-Variante des Coronavirus in der portugiesischen Hauptstadt «relativ stark» verbreitet, wie die Behörden mitteilen. Wegen Delta verschiebt auch Grossbritannien geplante Öffnungen. Dort reichen die Durchimpfungsrate und nach wie vor bestehende Corona-Massnahmen nicht aus, um das Steigen der Fallzahlen aufzuhalten.
Wie stark ist Delta derzeit verbreitet? Bei den damals erstmals in Brasilien und Südafrika nachgewiesenen Corona-Varianten war nicht klar, ob diese nicht auch in der Schweiz dominant werden und die Fallzahlen in die Höhe schnellen lassen könnten. Eingetroffen ist das nicht. Bei der Delta-Variante ist nun aber schon zu beobachten, dass sie sich in Grossbritannien durchgesetzt hat, ähnlich wie in Indien zuvor, auch in den USA und Deutschland steigt ihr Anteil. Die beiden Varianten aus Brasilien und Südafrika dagegen sind auch über einen längeren Zeitraum hinweg in diesen Ländern stagniert und nicht gestiegen.
Wie verbreiten sich Virus-Varianten? Eine Besonderheit des Coronavirus ist die ungleichmässige Verteilung der Ansteckungen. Aus vielen Infektionen ergeben sich gar keine Infektionsketten. Eine Virus-Variante kann etwa wiederholt von Indien nach Grossbritannien eingeschleppt werden, ohne dass etwas passiert. Manche Einschleppungen lösen dann aber wiederum viele Infektionen aus – die «Superspreading-Events».
Die Verbreitung einer Virus-Variante gleicht einem Würfelspiel: Je mehr man würfelt, umso höher ist die Chance, zwei Sechsen oder sogar fünf Sechsen zu erhalten, das wären dann Superspreading-Events. Das heisst auch: Würfelt man weniger, sinken auch die Erfolgschancen. Reduziert man also die Zahl der Einschleppungen, verringert sich die Chance, dass sich eine Virus-Variante festsetzen kann. Deshalb wirken Reisebeschränkungen gegen die Ausbreitung von Varianten.
Wird Delta auch bei uns dominant? Es könnte ähnlich ablaufen wie mit der Alpha-Variante, die erstmals in Grossbritannien nachgewiesen wurde. Alpha ist ansteckender als die Ursprungsvariante, wurde relativ stark eingetragen und hat die alte Variante fast komplett verdrängt. Delta ist ansteckender als Alpha und damit wiederum im Vorteil. Es ist also gut möglich, dass Delta auch bei uns dominant wird. Die Frage ist vor allem, wie schnell. Nachverfolgen lässt sich das durch ein schweizweites Sequenzierungsprogramm relativ genau: Ein gewisser Teil positiver Proben wird genetisch untersucht, um die Verbreitung neuer Varianten zu verfolgen.
Führt uns Delta zurück in den Shutdown? Vorweg: Rechtzeitiges Sequenzieren und frühzeitiges Reagieren lohnt sich. Als die Alpha-Variante sich zum Jahreswechsel in der Schweiz ausbreitete, merkte man das frühzeitig – nicht so, dass man hätte verhindern können, dass sie dominant wird, aber so, dass man verhindern konnte, dass sie eine starke, dritte Welle auslöst.
Die Corona-Massnahmen wurden Mitte Januar vorausschauend verschärft – wenn auch moderat. Das hat vermutlich dazu beigetragen, dass die Fallzahlen nicht massiv anstiegen. Stattdessen gab es nur einen langsamen Anstieg, im März und Anfang April. Der wurde durch die fortschreitende Impfkampagne und den saisonalen Effekt gebremst. Wie die vielen Faktoren für die nächsten Wochen zusammenspielen, kann keiner sicher voraussagen. Klar ist: Delta ist ein gutes Stück ansteckender als Alpha.