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Neue Massnahmen gegen Corona Was sagen Sie den Skeptikern, Herr Berset?

SRF News: Ist die zweite Welle die Quittung für eine zu schnelle Öffnung und für zu viel Sorglosigkeit?

Alain Berset: Ich glaube nicht, dass zu schnell gelockert wurde. Wir haben die Schritte unternommen, als es richtig war. Dann haben wir einen ruhigen Sommer erlebt. Jetzt ist die Entwicklung aber besorgniserregend – vor allem seit den letzten zehn Tagen.

Man hatte das Gefühl, dass sich Bund und Kantone die heisse Kartoffel weiterreichen – obwohl es Tempo gebraucht hätte. Warum haben Sie den Sommer nicht genutzt, um gemeinsam festzulegen, in welcher Situation was gelten soll?

Das haben wir gemacht! Und gerade deswegen hat es sehr gut funktioniert. Wir waren jeden Tag in engem Kontakt – letzte Woche fanden mehrere Treffen statt.

Jetzt müssen wir die Kompetenzen anwenden, die wir alle im März gelernt haben.

Am letzten Freitag haben dann die Kantone gesagt, dass sie zwar die Führung hätten in dieser besonderen Lage, sich aber wünschen würden, dass der Bund einheitliche Regelungen für die Maskenpflicht in der ganzen Schweiz und für private Treffen erlässt.

A propos private Feiern: Wie wollen Sie die Auflagen kontrollieren?

Das ist Sache der Kantone. Wir müssen aber viel mehr auf das Mitmachen der Bevölkerung und der Unternehmen zählen. Denn: Wir sind am Anfang einer sehr schnellen und schlechten Entwicklung. Jetzt müssen wir die Kompetenzen anwenden, die wir alle im März gelernt haben.

Grossveranstaltungen sind noch erlaubt, wie passt das zusammen?

Ja, aber nur unter strengen Massnahmen. Man muss aber auch sehen, dass diese Veranstaltungen erst seit zwei Wochen erlaubt sind, und wir das beobachten. Und: Die Kantone erlauben diese Veranstaltungen nur, wenn es die epidemiologische Situation erlaubt. Ich würde den Kantonen aber empfehlen, die Situation gut zu beobachten.

Ich habe viel Verständnis für die Müdigkeit, die gegenüber dieser Situation herrscht.

Bei der ersten Welle stand die Bevölkerung geeinter hinter dem Bundesrat. Jetzt herrscht mehr Skepsis. Was sagen Sie den Skeptikern?

Ich habe viel Verständnis für die Müdigkeit, die gegenüber dieser Situation herrscht. Aber wir leben auch in der Realität – und diese ist ein Mittelding zwischen jenen, die sagen, das Virus existiere nicht – aber, Entschuldigung, es ist bewiesen, dass es leider existiert – und jenen, die am liebsten gleich alles sofort schliessen würden. Beide Positionen sind nicht der richtige Weg.

Der Bundesrat versucht den richtigen Weg dazwischen zu finden. Wir sind aber nicht unfehlbar – und wenn uns ein Fehler passiert, dann müssen wir ihn sofort korrigieren. Wir sind also ständig am Anpassen, und darum haben wir heute diese Bundesratssitzung gemacht und diese Massnahmen getroffen.

Auch in der Wirtschaft gibt es kritische Stimmen. Man befürchtet, dass die Massnahmen der Wirtschaft mehr schaden, als dass sie der Bevölkerung nützen.

Wir versuchen zu vermeiden, dass wir bei sehr einschneidenden Massnahmen landen – wie es übrigens in Ländern rund um uns passiert. Maskentragen ist unangenehm, aber es erlaubt uns, weiterhin in Läden, in Restaurants oder ins Museum zu gehen. Alles bleibt offen. Die Alternative wäre, alles zu schliessen. Wer das nicht will, der muss uns sagen, was in der jetzigen Situation – wo die Fallzahlen sich jede Woche verdoppeln – sonst zu tun wäre.

Wenn wir die Pandemie unter Kontrolle bringen, dann können wir uns an Weihnachten auch wieder viel mehr erlauben, als wenn wir jetzt nichts tun.

Viele planen Weihnachten, was raten Sie?

Das ist noch weit weg. Wir versuchen, eine Krise zu bewältigen. Es gibt keine Gewissheit. Wir müssen viel Respekt vor dieser Situation haben, aber keine Angst. Wir sind als Gesellschaft gefordert. Wenn wir die Pandemie unter Kontrolle bringen, dann können wir uns an Weihnachten auch wieder viel mehr erlauben, als wenn wir jetzt nichts tun.

Das Gespräch führte Nathalie Christen.

Tagesschau, 18.10.2020, 18 Uhr ; 

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