Das Wichtigste in Kürze
- Der neue doppelstöckige SBB-Zug für den Fernverkehr («FV Dosto») ist bekannt als «Pannenzug» und sorgt seit Jahren für Probleme.
- Jetzt zeigen Insider-Informationen, wo sich die erheblichen Mängel in der Produktion beim Hersteller Bombardier befinden.
- Fachkundige Mitarbeiter von Bombardier aus der Schweiz erheben schwere Vorwürfe gegen das Management.
- Die Züge würden bis heute fehlerhaft gefertigt. Mittelfristig sei gar die Sicherheit der Züge betroffen.
- Experten rechnen damit, dass sich die Auslieferung der Züge noch weiter verspäten wird.
Die teuerste Beschaffung in der Geschichte des Schweizer Bahnbetriebs kommt nicht vom Fleck. Der neue Fernverkehrszug der SBB («FV Dosto») hat eine pannenreiche Geschichte hinter sich. Nun geben in der «Rundschau» Mitarbeiter erstmals Einblick in die aus ihrer Sicht fehlerhafte Produktion von Bombardier:
Unsachgemässe Metallbearbeitung führe dazu, dass die Wagen bereits nach kurzer Zeit rosteten. Schrauben würden nach «Heimwerker-Art» von Hand angezogen, was dazu führe, dass sie sich später im Verkehr lösen könnten.
In der Produktion fehle schlicht das nötige technische Wissen: «Die letzten Leute mit Know-how verlassen langsam aber sicher das Unternehmen oder wurden bereits entlassen.» Die vielen Temporär-Mitarbeiter blieben nur kurze Zeit und seien nicht genügend ausgebildet.
Warnung vor Sicherheitsproblemen
Bei Bombardier fehle zudem das nötige Werkzeug. «Uns fehlen Bohrer, Schraubmaschinen, Drehmomentschlüssel und Handwerkzeuge. Das ist Material, das wir zwingend brauchen.»
Die Arbeiter fühlen sich in ihrem Berufsstolz verletzt. Sie ärgern sich, dass sie weder das richtige Material und genügend Zeit, noch genug fähiges Personal bekommen. «Die Fehler wiederholen sich. Und sie finden diese in jedem einzelnen Fahrzeug.»
Die Mitarbeiter hoffen, dass sich nun endlich etwas ändert. Denn: «Auf lange Sicht wird es zu Sicherheitsproblemen kommen.» Die Insider berichten von einem Hochgeschwindigkeitstest in Osteuropa, bei dem sich eine Türe löste. «Sie ist während der Fahrt weggerissen und 700 Meter weit weggeschleudert worden.»
Bombardier bestätigt den Vorfall bei der Testfahrt, betont aber, dass dies im kommerziellen Betrieb nicht passieren könne.
Ursprünglich sollten 2013 die ersten «FV Dosto»-Züge verkehren. Immer wieder versprachen SBB und Bombardier neue Termine. Mittlerweile verspricht Bombardier die letzte Lieferung für 2021. Für die Mitarbeiter ist klar, dass auch dieser Termin nicht eingehalten werden kann.
Auch der deutsche Bahnexperte Hans Leister sieht den Plan als «nicht realistisch»: «Die Auslieferung des letzten Zuges wird wohl erst einige Jahre später zu haben sein.»
Bombardier weist Kritik zurück
Bombardier weist den Vorwurf fehlender Sicherheit zurück. Das Unternehmen betont, das Bundesamt für Verkehr (BAV) habe eine befristete Betriebsbewilligung für alle drei Zugtypen erteilt. Die eingesetzten Züge hätten bis heute mehr als 750‘000 Kilometer ohne einen einzigen sicherheitsrelevanten Vorfall zurückgelegt. Einzelne Abweichungen von Vorgaben seien in der industriellen Fertigung eine Realität und würden korrigiert.
Das Unternehmen habe hoch motivierte Mitarbeiter und investiere viel in deren Ausbildung und in die Qualitätssicherung. Weiter schreibt Bombardier, dass die Entwicklung der Züge «leider auch durch Dritte verzögert» worden sei.
SBB-Chef Andreas Meyer sagt zur massiven Verspätung bei der Auslieferung gegenüber der «Rundschau»: «Die Versprechungen – die Lieferpläne – hat bisher Bombardier gemacht.» Er wolle den Hersteller in seinem Optimismus nicht bremsen. «Ich bin überzeugt, dass man diesen Zug eines Tages als guten Zug loben wird.»
Im Interview mit der «Rundschau» nimmt Edith Graf-Litscher, Präsidentin der nationalrätlichen Verkehrskommission, Stellung zur pannenreichen Beschaffung der neuen SBB-Züge: