Es war erstaunlich, was sich heute und in den letzten Tagen abgespielt hat: Thierry Burkart war der einzige der vielen Papabili fürs FDP-Präsidium, der sich nie öffentlich geäussert hatte und sich, zumindest offiziell, bis kurz vor Schluss der Meldungsfrist nicht beworben hatte. Und trotzdem tritt er, wenige Stunden nach Ablauf der Bewerbungsfrist, mit einem kompletten Team von einer Vizepräsidentin und drei Vizepräsidenten und mit klaren inhaltlichen Ansagen vor die Medien.
Es ist schwer zu glauben, dass diese Lösung nicht von langer Hand vorbereitet wurde. Was wiederum Fragen aufwirft über den Umgang mit den anderen Interessentinnen und Interessenten (zum Beispiel mit dem einzigen offiziellen Kandidaten Marcel Dobler, der nicht einmal fürs Vizepräsidium nominiert wurde). Die neue Parteispitze und die Findungskommission werden sich zu diesen Vorkommnissen voraussichtlich noch erklären müssen.
Mann mit Bilderbuchkarriere
Vielleicht ist das Vorgehen typisch für den macht- und strategiebewussten Burkart, der nächsten Samstag 46 Jahre alt wird. Er machte eine buchstäbliche Bilderbuchkarriere – Grossrat mit 26 Jahren, erfolgreicher Parteipräsident der FDP Aargau, mit 39 Jahren Grossratspräsident und damit höchster Aargauer. Nach einer Legislatur im Nationalrat wird er bereits Ständerat und jetzt Präsident der FDP. Dass da nicht nur politische Begabung und Glück, sondern auch eine gehörige Portion strategisches Kalkül und vielleicht auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit dahintersteckt, versteht sich.
Schiebt man den schalen Nachgeschmack, der diesem Nominationsverfahren anhaftet, beiseite und betrachtet die heutige Präsentation von Burkart und seinem Team, dann kann man den Hut ziehen vor dem klugen und überzeugenden Angebot.
Der «freisinnige Aufbruch», den Burkart forderte und auch anbot, war zumindest emotional bereits zu spüren. Die Lust, sich trotz schwieriger Rahmenbedingungen nicht geschlagen zu geben und den Freisinn wieder auf die Siegesstrasse zu bringen, auch – was für ein Unterschied zu den letzten, eher gequälten Auftritten von Noch-Präsidentin Petra Gössi.
Burkart hat sofort gemerkt, dass er sich in der Partei breit abstützen muss, hat deshalb ein junges (Durchschnittsalter 37 Jahre), motiviertes Team zusammengestellt. Die bisherigen Vizepräsidenten Philippe Nantermod und Andrea Caroni sollen Kontinuität garantieren, die aufstrebende Freiburger Ständerätin Johanna Gapany und der Zürcher Nationalrat Andri Silberschmidt neuen Schwung bringen. Silberschmidt formulierte gleich selber die Erwartung, dass er die junge, städtische Klientel ins Boot holen will.
Auch Burkart wird sich wohl einmitten
Dass Thierry Burkart in der Partei weit rechts steht und in entscheidenden Fragen wie dem Rahmenabkommen und dem CO2-Gesetz abweichende Meinungen vertrat, wird nur ein paar Linksfreisinnige stören. Denn einerseits hat Burkart in beiden Fragen letztlich «gesiegt» (das Rahmenabkommen wurde beerdigt und das CO2-Gesetz vom Volk abgelehnt), und zweitens haben sich noch alle Parteipräsidenten mit der Zeit eingemittet, egal ob sie von links oder rechts kommen.
Wenn es Thierry Burkart schafft, auch den heute inflationär gebrauchten Begriff «liberal» noch genauer zu definieren (bekanntlich wollen ja alle liberal sein, nur verstehen eben auch alle etwas anderes darunter) und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, dann könnte ihm ein erfolgreicher Einstieg ins neue Amt gelingen. Ob das auch reicht, um ein langfristig erfolgreicher Präsident zu werden, ist dann allerdings wieder eine ganz andere Frage.