Schon vor seiner Wahl in den Bundesrat verkündete der damalige FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis, im EU-Dossier müsse der «Reset»-Knopf gedrückt werden. Beim innenpolitisch hochumstrittenen Rahmenabkommen wurde im Mai 2021 allerdings der «Delete»-Knopf betätigt: Die Schweiz brach die Verhandlungen mit Brüssel ab. Innenpolitisch waren die Fronten zu verhärtet.
Nach dem Scherbenhaufen von damals soll nun alles besser werden: Der Bundesrat will mit Brüssel über die künftigen bilateralen Beziehungen verhandeln. Vor den Medien in Bern stellte Cassis das definitive Verhandlungsmandat vor.
«Der Bundesrat will damit die bilateralen Beziehungen mit der EU stabilisieren und weiterentwickeln», erklärte der Aussenminister. «In einer zunehmend instabilen Welt ist es entscheidend, stabile und sichere Beziehungen mit den Nachbarländern zu haben.»
Die wichtigsten Punkte des Verhandlungsmandats
Der Start der Verhandlungen: Verhandelt wird, sobald auch die Europäische Kommission über ihr endgültiges Mandat verfügt. Noch im März dürfte es nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) so weit sein. Auf Schweizer Seite hat Chefunterhändler Patric Franzen – er ist stellvertretender EDA-Staatssekretär – die Gesamtleitung. Über die einzelnen Teile des Verhandlungspakets soll parallel verhandelt werden.
Das Echo aus der Vernehmlassung: In den Konsultationen seien die Reaktionen zum Paketansatz für die Verhandlungen positiv gewesen, teilte Cassis mit: «Eine deutliche Mehrheit der institutionellen Partner und der weiteren Akteure hat sich für die Aufnahme von Verhandlungen mit der EU ausgesprochen.»
Der Bundesrat habe einen Grossteil der Empfehlungen aus den Anhörungen übernommen und seinen Mandatsentwurf vom Dezember angepasst. Die meisten der Vorschläge zur «Präzisierung und Schärfung des Mandats» hätten berücksichtigt werden können, so der EDA-Chef.
Bundesrat strebt Stromabkommen an: Nicht berücksichtigt hat die Landesregierung indes Änderungswünsche im Bereich Strom – das angestrebte Stromabkommen wurde in den Anhörungen verschiedentlich kritisiert. Der Bundesrat nennt hier den Ausschluss der Stromproduktion aus dem Geltungsbereich des Abkommens sowie den Verzicht auf Massnahmen zur Marktöffnung.
Die Landesregierung will im Stromabkommen anstreben, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Wahl haben, in der geschützten Grundversorgung mit regulierten Preisen bleiben zu können. Für die Stromproduktion, namentlich aus erneuerbaren Energien, will der Bundesrat die wichtigsten staatlichen Beihilfen beibehalten.
Zankapfel Lohnschutz: Bei den Verhandlungen dürfte erneut die Frage des Lohnschutzes im Zentrum stehen – innen- wie aussenpolitisch. Hier will der Bundesrat Lohn- und Arbeitsbedingungen garantieren. Und für die Spesenregelung strebt er eine Lösung an, die unter Berücksichtigung des Schweizer Preisniveaus Rechtsgleichheit gewährleistet.
Die Streitbeilegung: Bei der dynamischen Übernahme von EU-Recht wurde die Kritik der Kommissionen, Kantone, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften berücksichtigt. Die Schweiz soll einzelne Entwicklungen nicht übernehmen können. Allfällige Ausgleichsmassnahmen der EU – also Verschlechterungen in anderen Verträgen – dürften erst dann ergriffen werden, wenn der Streitpunkt von einem Schiedsgericht behandelt wurde.