Bis Ende Juni will der Bundesrat Eckwerte für künftige Verhandlungen mit der Europäischen Union definieren. Doch noch sind sich die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände uneins darüber, welche Eckwerte es für kommende Verhandlungen braucht. Hinter den Kulissen wird heftig gerungen.
Gegenüber der «Samstagsrundschau» von Radio SRF sagt Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travail Suisse, man könne in die Verhandlungen gehen, «wenn die EU Zusagen beim Lohnschutz macht».
Gewerkschaften fordern Verhandlungen
Was jetzt auf dem Tisch liege, reiche für Verhandlungen, so Wüthrich, einmal müsse man damit beginnen. Der Gewerkschafter beruft sich dabei auf ein informelles Treffen, das die Gewerkschaften mit dem EU-Vizekommissionspräsidenten Maros Sefcovic Anfang dieses Jahres hatten.
So soll der EU-Vizekommissionspräsident gesagt haben, Brüssel könne Hand bieten zu einer Klausel, die Rückschritte beim Lohnschutz ausschliessen würde. Ausserdem könne er sich vorstellen, dass die EU damit einverstanden sei, dass die Sozialpartner und Kantone in der Schweiz ihre Kontrollen auf dem Arbeitsmark weiterhin selber ausführen. Die Aussagen waren mündlich und sind nirgendwo festgehalten.
In meinen Augen müsste man jetzt als Schweizer Delegation mit konkreten Vorschlägen, die den Lohnschutz absichern, auf die EU zugehen.
Aus dem Angebot Sefcovics hätten der zuständige Bundesrat Ignazio Cassis und seine EU-Chefunterhändlerin Livia Leu aber noch zu wenig gemacht, kritisiert Gewerkschafter Wüthrich: «In meinen Augen müsste man jetzt als Schweizer Delegation mit konkreten Vorschlägen, die den Lohnschutz absichern, auf die EU zugehen.»
Keine Verschlechterung beim Lohnschutz
Für Adrian Wüthrich kann es von Gewerkschaftsseite her nur Verhandlungen mit der EU geben, wenn es beim Lohnschutz keine Verschlechterungen gibt. Gleich sieht das auch Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes. «Wenn man sagt, dass die heutige Situation nicht verschlechtert werden kann, sind wir sicher einig.»
Wir sind uns einig, dass die heutige Situation nicht verschlechtert werden kann, aber nicht bereit, weiterzugehen, wie dies die Gewerkschaften angedeutet haben.
Der Tessiner Mitte-Nationalrat hat jedoch einen Einwand: «Wir sind nicht bereit, weiterzugehen, wie dies die Gewerkschaften angedeutet haben.» Damit spricht Regazzi ein internes Papier der Gewerkschaften Travail Suisse und Gewerkschaftsbund an, das dem Online-Medium «Nebelspalter» zugespielt worden ist. Darin ist zum Beispiel von verbindlichen Mindestlöhnen sowie von Änderungen bei den Vorschriften für Gesamtarbeitsverträge die Rede.
Arbeitgeberverband will Lohnschutz-Niveau halten
Solche Änderungen im gesamtschweizerischen System des Lohnschutzes seien nicht notwendig, sagt auch Roland Müller, der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands. Aber auch er will das aktuelle Lohnschutz-Niveau halten. «So sind wir bereit, bei allfälligen anzupassenden Massnahmen nach sogenannten Ausgleichsmechanismen zu suchen, damit wir keine Einbusse beim Lohnschutz haben.»
Wie geht es nun aber weiter? Beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB heisst es, in den nächsten beiden Wochen würden die Sozialpartner und die Kantone hinter geschlossenen Türen weiterdiskutieren. So wolle man mehr Klarheit bis zur SGB-Delegiertenversammlung am 2. Juni schaffen.