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Neuer Bericht zur Räumung Mitholz: Ewige Diskussion um Explosionsgefahr wühlt Dorf auf

Wie gefährlich ist die Munition in Mitholz? Ein neuer Bericht stellt die Risikoanalyse infrage – und sorgt für Unruhe.

Ist die Fluh ob Mitholz im Berner Oberland ein Pulverfass oder nicht? Könnte es jederzeit eine Explosion geben? Oder ist alles gar nicht so schlimm? Wäre die geplante Räumung am Ende gar nicht nötig?

Auf dem Bild ist ein Felsen zu sehen, an dessen Fusse steht ein Bagger.
Legende: Wie gross ist die Gefahr, die von diesem Felsen ausgeht? Keystone/ANTHONY ANEX

Vor zwei Wochen gelangte ein Bericht von Munitionsspezialisten der Schweizer Armee an die Öffentlichkeit. Und dieser stellt die Risikoanalysen des Bundes infrage, einmal mehr.

Das Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) spricht von bis zu zehn Tonnen Sprengstoff, die gleichzeitig explodieren könnten. Die Kampfmittelräumer, das Kommando Kamir des VBS, kommt in seinen Berichten aber zu einem anderen Schluss: Maximal fünf Kilo könnten gleichzeitig explodieren. Sie empfehlen deshalb, die Risikobeurteilung anzupassen.

Altlasten nach der Explosion

Rückblick: Im Winter 1947 explodierte ein Teil eines ehemaligen Munitionslagers der Schweizer Armee im Berg ob Mitholz. Neun Menschen kamen ums Leben, viele werden verletzt, noch mehr werden obdachlos.

Die Katastrophe von Mitholz 1947

Jahrelang hiess es, von der Fluh gehe keine Gefahr mehr aus. Doch vor sieben Jahren befand ein neues Gutachten, die Munitionsreste im Berg könnten noch explodieren.

Der Bund beschloss eine vollständige Räumung. Das Parlament hat nach langen Diskussionen einen Kredit von 2.59 Milliarden Franken dafür bewilligt. Dazu gehören aufwändige Schutzmassnahmen für Dorf, Strasse und Schiene – und hierfür muss ein Teil der Bevölkerung wegziehen.

«Schlecht für die Gesundheit»

Zwischenzeitlich wurde der Sicherheitsperimeter korrigiert. Einige Häuser befinden sich heute ausserhalb der Gefahrenzone. Auch das Haus des Gemeindeschreibers Martin Trachsel. Und doch ist er bereits weggezogen. Zu weit war die Familie schon mit einem neuen Hausprojekt.

Ein Mann in blauer Jacke und mit Brille steht auf einem Feld.
Legende: Er hat den Grossteil seines Lebens in Mitholz verbracht: Gemeindeschreiber Martin Trachsel. SRF

Er bedauere, dass die Bevölkerung einmal mehr durch neue Fragen zur Räumung aufgewühlt werde. «Es tut der Gesundheit nicht gut, wenn man immer wieder diese Gedanken hat, ob das jetzt alles richtig ist, was wir hier tun», sagt er.

Experten sind sich uneinig

Franz Bär, bis zu seiner Pensionierung stellvertretender Kommandant des Kommandos Kamir, ist anderer Meinung.

Die Fluh ist kein Pulverfass.
Autor: Franz Bär Ehemals stv. Kommandant des Kommandos Kamir VBS

Der grösste Teil der Munition sei im Winter 1947 explodiert, also unschädlich geworden, sagt er. «Die Fluh ist kein Pulverfass. Es hat noch Explosivstoffe im Berg, die wir ziemlich gefahrlos bergen können. Es ist eine Resträumung.» Das VBS vertraue den Kampfmittelräumern schlicht nicht.

Man habe die Berichte genau studiert und nehme sie ernst, kontert Bruno Locher, Chef Raum und Umwelt beim VBS.

Eine Explosion mit einer Tonne Sprengstoff gilt als wahrscheinlich.
Autor: Bruno Locher Chef Raum und Umwelt VBS

Die Risikoanalyse habe jedoch, basierend auf der Einschätzung mehrerer Fachgruppen, andere Resultate ergeben: «Eine Explosion mit einer Tonne Sprengstoff gilt als wahrscheinlich. Natürlich passen wir unsere Analysen nach neusten Erkenntnissen laufend an.» Das VBS wolle und müsse aber jedes Restrisiko ausschliessen.

«Dorf zerfällt»

In Mitholz sind die Meinungen geteilt: Die einen tragen die Entscheidungen des VBS mit, die andere nicht.

Eine Frau in einem gelben Pullover mit Hornbrille.
Legende: Mitholz ist ihre Heimat: Monika Küenzi bedauert, dass so viele Leute wegziehen. SRF

Dorfbewohnerin Monika Küenzi etwa sagt: «Wir haben hier schon lange das Gefühl, dass man sich zu schnell für ein zu grosses, unnötiges Projekt entschieden hat. Das wird jetzt auf den Schultern der Bevölkerung durchgezogen.» Das Dorf zerfalle immer mehr, weil so viele Leute wegziehen würden.

Schweiz aktuell, 7.2.2025, 19 Uhr;stal

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