Schneller, höher, weiter. Das ist das Motto der Olympischen Spiele. Und dieses Motto gilt nicht nur für die sportlichen Leistungen, es gilt auch für den Anlass selbst, der in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen ist. Immer wurde noch mehr Geld für immer grössere Arenen investiert. Das sorgte für Kritik, auch in der Schweiz. Dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wurde Gigantismus vorgeworfen.
Nun aber scheint beim IOC ein Umdenken stattzufinden; ein Umdenken hin zu kleineren und nachhaltigeren Spielen. Bei diesen Überlegungen spielt die Schweiz eine zentrale Rolle. Das Land könnte tatsächlich, nach über 80 Jahren, wieder zum Austragungsort von Olympischen Winterspielen werden. Noch vor wenigen Monaten schien es undenkbar, dass in der Schweiz wieder über die Austragung Olympischer Spiele diskutiert wird.
Man will nicht mehr im Sinne des Gigantismus neue Infrastrukturen aufbauen, sondern die bestehenden Infrastrukturen nutzen.
Doch dann sei Mitte März dieses Jahres das IOC auf die Schweiz zugekommen, erzählt Urs Lehmann, Präsident des Schweizerischen Skiverbandes. Bei diesem Treffen habe das IOC völlig neue Rahmenbedingungen für die Winterspiele 2030 präsentiert. «Das sogenannte dezentrale Konzept bedeutet: Man will nicht mehr im Sinne des Gigantismus neue Infrastrukturen aufbauen, sondern man will die bestehenden Infrastrukturen nutzen», sagt Lehmann.
Land als ganzes würde kandidieren
Nach den Gesprächen mit dem IOC habe Swiss Olympic eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Wie eine Kandidatur aussehen könnte, steht im Grundsatz bereits fest. Im Gegensatz zu früheren Bewerbungen soll nicht ein Kanton Austragungsort sein, sondern die Schweiz würde als ganzes Land kandidieren. Die Vorteile dabei sind, dass man nicht viel bauen müsste, die Infrastruktur wäre grösstenteils vorhanden.
Die Schweiz könnte so der erste Austragungsort sein, der nachhaltige und kostengünstige Spiele organisiert, sagt Ruth Wipfli Steinegger, Vizepräsidentin von Swiss Olympic. Diese Aussicht sei eine Motivation: «Wenn es uns gelingen würde, als erstes Land beweisen zu können, dass man diese Spiele auch in einer kleineren Dimension ausführen kann, ohne Gigantismus, dann hätten wir Grosses erreicht.»
Das IOC muss aufpassen, dass es nicht den Ruf bekommt, dass Olympische Spiele nur noch in Diktaturen stattfinden.
Ob die Absicht des IOC glaubwürdig ist und ob es künftig nachhaltigere Olympische Spiele gibt, ist offen. Vorstellbar sei es, sagt Christian Koller, Sporthistoriker an der Universität Zürich. Denn das IOC sei ein Stück weit auch zu diesem Wandel gezwungen. Die Organisation stehe von vielen Seiten unter Druck und viele Länder hätten keine Lust mehr, diesen Anlass durchzuführen, weil die ökologische und ökonomische Verschwendung von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert werde. «Von daher muss das IOC aufpassen, dass es nicht den Ruf bekommt, dass Olympische Spiele nur noch in Diktaturen stattfinden, in denen sich die Bevölkerung nicht äussern kann. Ein Projekt wie das hier wäre ein Paradebeispiel, um zu zeigen, dass man aus der Vergangenheit gelernt hat.»
Umweltverbände bleiben kritisch
Kritisch bleiben derweil die Umweltverbände. Armando Lenz, Geschäftsleiter von Pro Natura Graubünden, sagt: «Wir rechnen nicht damit, dass das IOC sein Versprechen einhält und dass sich die Spiele tatsächlich Richtung Nachhaltigkeit wandeln können.»
Die von Swiss Olympic in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sollte Ende September fertig sein. Der Entscheid, ob die Schweiz tatsächlich eine Olympia-Kandidatur 2030 lanciert, fällt bis Ende Jahr.