Ist es vertretbar, die Olympischen Spiele in einem Land durchzuführen, in dem die Menschenrechte systematisch verletzt werden? Dass diese Frage Nevin Galmarini umtreibt, hört man sofort. «Offenbar sind in China nicht alle Menschen gleich. Und das betrifft mich als Athlet», sagt er in der SRF-Sendung «Club».
Wir feiern olympische Werte wie Fair Play in einem Land, in dem nicht für alle Menschen die gleichen Rechte gelten.
Galmarini ist Olympiasieger im alpinen Snowboard und nimmt in rund einer Woche erneut an den Spielen teil. «Wir feiern olympische Werte wie Fair Play in einem Land, in dem nicht für alle Menschen die gleichen Rechte gelten.» Das bringe ihn als Athlet in ein persönliches Dilemma.
Für Christophe De Kepper, Generaldirektor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) lassen sich die olympischen Werte mit der chinesischen Politik vereinbaren: «Das IOC ist nicht verantwortlich für die Menschenrechtslage und alle Probleme, die es möglicherweise in einem Bewerbungsland gibt», sagt De Kepper im «Club»: «Unsere Verantwortung ist es, eine Sportveranstaltung zu organisieren.»
Dass sich Sport und Politik so klar trennen lassen, hält Politologe Ralph Weber für eine Illusion: «Man kann nicht so tun, als wäre es kein politisches Projekt», sagt der China-Experte. Eine Organisation wie das IOC könne nicht mit einem autoritären Staat zusammenarbeiten, ohne sich auch für die Zwecke des Regimes vereinnahmen zu lassen.
Ist nun die Politik gefragt?
China wird besonders für die Unterdrückung der uigurischen Minderheit kritisiert. Rund eine Million Uiguren wurde in sogenannte «Umerziehungslager» gesperrt. Diese Verstösse gegen die Menschenrechte will der IOC-Generaldirektor auch auf mehrfache Nachfrage nicht verurteilen: «Wenn das IOC das tun würde, würden wir uns aufs politische Parkett begeben – und dann wäre die Organisation der Spiele nicht mehr möglich.»
Solange Wirtschaft und Politik mit China Geschäfte machten, sei es ungerecht, die Verantwortung auf IOC und Athleten abzuschieben.
Diverse Regierungen wie die der USA, Japan und Dänemark boykottieren die Spiele in Peking. Der Bundesrat hat entschieden, an der Eröffnungsfeier teilzunehmen, sofern die pandemische Situation es zulässt.
Es gehört ein Bundesrat an die Eröffnungsfeier, Bundespräsident Cassis oder die Sportministerin.
Roland Rino Büchel, SVP-Nationalrat und Aussenpolitiker, würde eine Teilnahme unterstützen: «Es gehört ein Bundesrat an die Eröffnungsfeier, Bundespräsident Cassis oder die Sportministerin.»
Die Schweiz muss sich entscheiden, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen will.
SP-Nationalrat Fabian Molina – wie Büchel in der Aussenpolitischen Kommission – widerspricht: Er wünscht sich ein Boykott der Eröffnungsfeier und damit ein klares Bekenntnis gegen autoritäre Regime und für die Demokratie: «Die Schweiz muss sich entscheiden, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen will. Wir müssen in der Aussenpolitik endlich Farbe bekennen.»
Auch Nevin Galmarini würde sich eine Lösung auf politischer Ebene wünschen – «und nicht auf dem Buckel der Athleten». Er selbst wird sich an den Spielen mit Kritik zurückhalten müssen: Artikel 50 der Olympischen Charta untersagt es ihm und allen anderen Athletinnen und Athleten, sich bei offiziellen Zeremonien wie etwa Siegerehrungen politisch zu äussern.