Es gibt in der Schweizer Sicherheitspolitik zwei N-Wörter, die unweigerlich heisse Diskussionen auslösen: N wie Neutralität und N wie Nato, das nordatlantische Verteidigungsbündnis.
Eine engere Partnerschaft mit eben dieser Nato fordert FDP-Parteipräsident Thierry Burkart am Freitag in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen und in einem Meinungskommentar in der NZZ. Die Schweiz könne sich alleine gar nicht verteidigen, begründet Burkart: «Wir müssen ehrlich sein: Eine autonome Verteidigung ist aus finanziellen wie auch aus sicherheitspolitischen Gründen vollumfänglich gar nicht möglich.»
Vorbereitung auf Krisenfall
Zum Beispiel gegen Interkontinental-Raketen. Dass die Schweiz alleine Ziel eines militärischen Angriffs werde, sei zudem unwahrscheinlich. Denn wenn die Schweiz bedroht wäre, würde das wohl für weitere Teile Europas auch gelten.
Eine autonome Verteidigung ist aus finanziellen wie auch aus sicherheitspolitischen Gründen vollumfänglich gar nicht möglich.
Darum braucht es laut Burkart die Kooperation mit der Nato. Und die soll enger werden als bisher. Die Schweiz solle die gleichen Waffensysteme wie die Nato-Länder kaufen, zum Beispiel den F-35-Kampfjet. Burkarts Vorschlag bedeutet aber auch: Abläufe und Befehlsketten in der Schweizer Armee müssten an die Nato-Vorgaben angepasst werden. So dass – im Falle der Fälle – von Tag 1 zusammen gekämpft werden könnte.
Diskussion richtig, aber...
Für SVP-Sicherheitspolitiker und Ständerat Werner Salzmann ist dagegen klar: «Sobald wir näher an die Nato rücken oder sogar einen Betritt anstreben, stellt sich automatisch die Neutralitätsfrage – mit dem Neutralitätsrecht.»
Auch die Linke will wegen der Neutralität keine Annäherung an die Nato. Franziska Roth von der SP hält fest: «Die von Burkart lancierte Debatte ist richtig. Aber ich bin sicher, dass eine engere Kooperation als bisher neutralitätsrechtlich nicht möglich ist.»
Sobald wir näher an die Nato rücken oder gar einen Betritt anstreben, stellt sich automatisch die Neutralitätsfrage.
Auch die Grünen begrüssen den Anstoss der FDP. Diese Diskussion müsse jetzt geführt werden, sagt Nationalrätin Marionna Schlatter, lehnt aber gleichzeitig eine engere Anbindung an die Nato ab: «Die Nato ist ein Sonderbund reicher westlicher Staaten und kann aus meiner Sicht keinen Beitrag für einen stabilen Frieden leisten.» Die Schweiz müsse sich im Rahmen der UNO und der OSZE für Frieden und Sicherheit einsetzen, findet die Sicherheitspolitikerin.
Ich bin sicher, dass eine engere Kooperation als bisher neutralitätsrechtlich nicht möglich ist.
Was darf «der Neutrale» nicht?
Rechtlich gesehen hat die Schweiz allerdings gar nie so genau definiert, wie sie die Neutralität verstanden haben möchte. Offiziell wird auf die Haager Landkriegsordnung von 1907 verwiesen, einen völkerrechtlichen Vertrag aus einer Zeit, als die Schweiz noch von rivalisierenden Grossmächten umgeben war. Dieser Vertrag sagt im Grundsatz, dass der Neutrale keiner Kriegspartei einen militärischen Vorteil gewähren darf.
Für FDP-Präsident Burkart ist die Neutralität kein Grund, nicht näher an die Nato zu rücken, für den Fall, dass die Schweiz und europäische Länder bedroht würden: «Damit man das kann, muss man sich auch vorbereiten können. Das ist der einzige Zweck der engen Zusammenarbeit mit der Nato. Es ist also kein Widerspruch zu unserer Neutralität.»
Man muss sich auch vorbereiten können. Das ist der einzige Zweck der engen Zusammenarbeit mit der Nato.
SVP: für Hausaufgaben selber zuständig
Die Nato-Diskussion lenke von einer anderen, dringenderen Aufgabe ab, kritisiert SVP-Ständerat Salzmann: «Mir macht Sorgen, dass wir nicht zuerst unsere Hausaufgaben machen und die Fähigkeitslücken unserer Armee schliessen. Dafür sind wir selber zuständig.»