Das Wichtigste in Kürze:
- Die sogenannte No-Show-Regelung ist seit Jahren für viele Swiss-Kunden ein Ärgernis.
- Und sie ist brisant: Mehrere Rechtsprofessoren in der Schweiz erachten diese Regelung als rechtswidrig.
- Flugpassagiere aus Österreich haben bessere Bedingungen.
- Die Stiftung für Konsumentenschutz SKS arbeitet an einer aussergerichtlichen Einigung mit Swiss.
- Swiss gibt «Kassensturz» zu diesem Thema kein Interview
Es geht um Artikel 3.3.6 in den Beförderungsbestimmungen der Swiss: «Erscheinen Sie für einen Flug nicht, ohne uns im Voraus darüber zu informieren, können wir Ihre Reservation für den Rück- oder Anschlussflug streichen.»
«Espresso» vom 28.03.17
Swiss betreibt so Preispolitik. Mit dieser Bestimmung im Kleingedruckten will die Swiss – wie andere Airlines auch – verhindern, dass Schweizer Passagiere günstigere Swiss-Tickets im Ausland kaufen und dann nur einen Teil der Strecke abfliegen. Deshalb verlangt die Swiss, dass ihre Passagiere alle Teilstrecken wie gebucht abfliegen.
Stossend daran: Mit Verweis auf diese Klausel verweigert Swiss ihren Passagieren immer wieder Flüge, die diese schon bezahlt haben. Im schlimmsten Fall lässt Swiss Kunden einfach am Gate stehen. Der Redaktion liegen viele haarsträubende Schilderungen von verärgerten Passagieren vor. Beispiele dazu präsentierte gab es zu hören im «Espresso» vom 28. März.
Rechtsexperten sprechen von einem Verstoss gegen das Gesetz
«Kassensturz» berichtet seit Jahren über dieses Ärgernis. Dass Passagiere Flüge in der gebuchten Reihenfolge antreten müssen, diese Klausel verstosse gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Das haben verschiedene Rechtsprofessoren in der Schweiz bereits wiederholt kritisiert.
So etwa Vito Roberto, Professor für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen gegenüber «Kassensturz» im November 2015: «Die allgemeinen Geschäftsbedingungen sind in diesem Punkt nicht gültig. Der Kunde bucht zwei Leistungen. Einen Hinflug und einen Rückflug. Wenn eine Leistung nicht in Anspruch genommen wird, dann heisst das selbstverständlich nicht, dass die zweite nicht erbracht werden muss. Selbstverständlich darf der Kunde zurückfliegen, auch wenn er nicht hingeflogen ist.»
Nach dem sich «Kassensturz» einschaltete, reagierte Swiss im Fall von Paola P. Offenbar sei ein Systemfehler in Zürich beim Boarding passiert. Mittlerweile hat sich Swiss bei ihrer Passagierin entschuldigt und ihr die 670 Euro überwiesen. Zudem gab ihr Swiss noch einen Restaurantgutschein von 200 Franken. Zu den anderen Fällen schreibt Swiss, man kläre diese ab und werde mit den Kunden eine Lösung suchen.
Österreicher sind besser geschützt
Erstaunlich: Von bestimmten kundenfeindlichen Klauseln sind Passagiere mit Wohnsitz in Österreich ausdrücklich ausgenommen. Das steht so in den Beförderungsbestimmungen der Swiss. Das heisst Fluggäste mit Wohnsitz in Österreich sind bei den Flugtickets besser geschützt als Schweizer. Sie dürfen sehr wohl den Hinflug verpassen und können trotzdem mit dem Rückflugticket zurückfliegen, ohne Aufpreis oder zusätzlichen Kosten. Dies hat vor vier Jahren der Oberste Gerichtshof Österreichs entschieden.
Den Prozess ins Rollen brachte der Verein für Konsumenteninformation VKI. Der VKI klagte gegen Vertragsklauseln der Austrian Airlines, wie Swiss eine Tochtergesellschaft der Lufthansa. Das Verfahren lief durch alle Instanzen «Letzten Endes hat dann der Oberste Gerichtshof Österreichs entschieden, dass Airlines nicht generell einen Aufpreis verlangen dürfen, wenn ein Passagier den Hinflug verpasst, sagt Laura Ruschitzka vom VKI. «Und Tickets dürfen nicht einfach verfallen.» Ein Aufpreis sei höchstens dann zulässig, wenn Kunden bereits bei der Buchung wissen, dass sie nur einen Teil des Flugtickets benützen werden und auf diesem Wege ein Flugticket zum Schnäppchenpreis kaufen wollen.
Vor zwei Jahren kündigte die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) im «Kassensturz» auch in der Schweiz eine Klage gegen die kundenfeindlichen Flugbestimmungen der Swiss sind an. Doch dafür habe bisher das Geld gefehlt. Man arbeite an einer aussergerichtlichen Einigung mit Swiss, sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder. Ihr Ziel: «Wir wollen mindestens das, was die österreichischen Fluggäste auch haben. Wenn wir merken, dass die Gespräche weiterhin stocken, behalten wir uns rechtliche Schritte vor.» Es dürfte also noch ein Weilchen dauern, bis die umstrittenen Bedingungen auch in der Schweiz fallen – wenn überhaupt.
Was sagt Swiss?
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Weshalb hält Swiss an Vertragsklauseln fest, obwohl Rechtsprofessoren diese Klauseln als unzulässig erachten? Warum reagiert Swiss nur, wenn ein höchstricherliches Urteil sie dazu zwingt? Zu diesen Fragen gibt Swiss «Kassensturz» kein Interview. Trotz wiederholten Anfragen vertröstet die Airline die Redaktion mit Verweis auf die Komplexität des Themas immer wieder, wie schon bei früheren Recherchen zum Thema.
Statt eines Interviews bietet Swiss zunächst ein Hintergrundgespräch an, zieht das Angebot aber kurzfristig wieder zurück. Statt einer Stellungnahme zur Kritik an ihren Klauseln schickt Swiss eine 20-seitige von der Fluggesellschaft in Auftrag gegebene Studie, um «Kassensturz» zu belegen, dass ihre Klauseln rechtens seien. Bei der Swiss-Jahresmedienkonferenz vergangener Woche fragte «Kassensturz» ein weiteres Mal um ein Interview. Erfolglos.
Swiss Medienchef Daniel Bärlocher schreibt, Swiss sehe von einem Gespräch vor der Kamera ab, «weil die sehr geringe Zahl der Fälle in keiner Relation zu unseren über 16 Millionen (zufriedenen) Fluggästen pro Jahr steht.» Im Klartext: Um ihre Tarifpolitik zu schützen, nimmt Swiss auch künftig in Kauf, dass betroffene Kunden Umtriebe, Kosten und viel Ärger haben.