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Notunterkunft in Zürich Wo Familien ohne bezahlbare Wohnung unterkommen

Die Stadt Zürich betreibt vier spezielle Notunterkünfte für obdachlose Familien. Sie leben dort in engen Verhältnissen.

Es ist für jede Familie ein schreckliches Szenario: Im Briefkasten liegt die Wohnungskündigung. Trotz langer Suche finden die Eltern einfach keinen Ersatz mehr. Am Schluss steht die Familie ohne Wohnung da, ist plötzlich obdachlos.

Ein Szenario, das bei den steigenden Mietzinsen in Zürich für manche Familien zur Realität wird. An sie richtet sich das Angebot der Stadt mit vier speziellen Unterkünften. Zwei davon sind im Zürcher Seefeld, eine in der Enge, eine in der Nähe des Irchelparks.

Wenn man länger da ist, ist das eine Herausforderung.
Autor: Christian Kobel Teamleiter der Notunterkunft für Familien der Stadt Zürich

Letztere befindet sich in einem ehemaligen Alterszentrum. Ein Etagenbett, zwei Einzelbetten, zwei Schränke, ein kleiner Tisch mit zwei Schemeln, an der Wand ein Waschbecken. Mehr ist da nicht im Zimmer, das Teamleiter Christian Kobel «Standardzimmer» nennt. Duschen und Toiletten muss sich die Familie mit anderen teilen. Kobel sagt: «Wenn man länger da ist, ist das eine Herausforderung.»

Foto des Zimmers: Etagenbett, Doppelschrank und Waschbecken
Legende: In der Notunterkunft in einem ehemaligen Alterszentrum beim Irchelpark teilen sich vierköpfige Familien ein Zimmer. SRF/Christoph Brunner

Die Familien müssten sich stark beschränken. Der Name sage es: «Es ist letztlich eine Notunterkunft», sagt Kobel.

Im Notfall muss ein Zimmer bereitstehen

In der Unterkunft beim Irchelpark leben aktuell zehn Familien. Alle vier Unterkünfte zusammen bieten Platz für rund 50 Familien. Kobel sagt: «Grundsätzlich sind wir so konzipiert, dass wir im Notfall immer auch noch jemanden aufnehmen können.» Es komme vor, dass sie eine Familie am selben Tag unterbringen müssten.

Keine der Familien, die in den schlichten Zimmern wohnen, habe sich das ausgesucht. Sie alle hatten einmal eine Wohnung in der Stadt Zürich, bevor sie diese aus unterschiedlichen Gründen verloren haben: Weil ihr befristeter Mietvertrag ausgelaufen ist, weil sie die Kündigung erhalten oder weil die Familie den Mietzins nicht bezahlt hat. Sie alle verbindet die Wohnungsnot in Zürich.

Blick an die Fassade von Wohnblocks in Zürich
Legende: 2024 standen in der Stadt Zürich gerade einmal 0.07 Prozent der Wohnungen leer. Keystone/Ennio Leanza

In diesen Krisen können sich Familien an die städtischen Sozialzentren melden. Diese weisen sie einer Notunterkunft zu, wo die Familien nicht nur vorübergehend ein Dach über dem Kopf erhalten, sondern auch Hilfe bei der Wohnungssuche. Vorausgesetzt, es gibt keine andere Lösung.

Alle bemühen sich um Normalität

An diesem Vormittag im Januar ist die Notunterkunft im Irchelpark weitgehend verlassen. Kobel klopft an einer Türe und öffnet, eine Frau brät in der Gemeinschaftsküche Pouletfleisch.

Gerade grössere Familien müssen manchmal aber länger bei uns bleiben.
Autor: Christian Kobel Teamleiter der Notunterkunft für Familien der Stadt Zürich

Dass die meisten Bewohnerinnen und Bewohner am Tag abwesend sind, sei normal. Die Eltern sind bei der Arbeit, die Kinder in der Schule. Sie gingen ihrem normalen Alltag nach. «Wir versuchen auch, das Leben möglichst normal beizubehalten.» Zwar seien die Mitarbeitenden zur Betreuung da und unterstützten die Familien, wenn diese das wünschten. Die Familien seien jedoch selbständig.

Porträtaufnahme von Christian Kobel vor der Notunterkunft
Legende: Der 51-jährige Christian Kobel leitet die Notunterkunft der Stadt Zürich für Familien. SRF/Christoph Brunner

Kobels Team und die betroffenen Familien verfolgen dasselbe Ziel: Dass die Familien schnellstmöglich wieder aus der Unterkunft ausziehen können. Rund 40 Prozent der Familien fänden innert dreier Monaten Aufenthalt wieder eine Anschlusslösung. «Gerade grössere Familien müssen manchmal aber länger bei uns bleiben», sagt Kobel. Vielleicht ein Jahr, in manchen Fällen länger. Für sie sei es besonders schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Trotz Zweckgemeinschaft entstehen Freundschaften

Solch lange Aufenthalte seien anspruchsvoll, sagt Kobel: «Das bietet schon Raum für Konflikt.» Insgesamt käme es aber selten zu Streitereien. Die Familien in der Notunterkunft arrangierten sich sehr gut und unterstützten sich gegenseitig, «und es gibt durchaus auch Freundschaften».

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 29.1.2025, 17:30 Uhr ; 

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