Die Notunterkunft liegt direkt unter der Mehrzweckhalle von Birmenstorf AG. Die unterirdische Zivilschutzanlage wird seit März 2023 als kantonale Unterkunft für Asylsuchende genutzt. Seit knapp einem Jahr wohnen dort vor allem Familien.
Die «Rundschau» dokumentierte 24 Stunden lang den Alltag der 65 Menschen, von denen die meisten auf ihren Asylentscheid warten.
Vorhänge statt Wände
Die Bilder zeigen, wie schwierig der Alltag mit Kindern in der Anlage ist. So macht einer jungen kurdischen Mutter aus der Türkei vor allem die Luft zu schaffen: «Es ist nicht gesund für unsere Kinder.» Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer zweijährigen Tochter seit mehr als vier Monaten in der Unterkunft. Ihnen und vielen anderen in der Unterkunft mache die Situation unter der Erde sehr zu schaffen: keine Fenster, kein Licht, keine frische Luft. In jedem Schlafraum sind mehrere Familien in Stockbetten unterbracht – getrennt durch Vorhänge. Privatsphäre haben sie kaum. «Es ist dunkel und schmal», beschreibt der Vater die Vorhangnische.
Der Kanton Aargau verweist darauf, dass die Anlage geprüft und die Luftqualität ausreichend sei. In Einzelfällen suche man nach Lösungen. Aktuell übernachten mehrere Familien übergangsmässig in Containern – direkt über der Unterkunft.
Enttäuschte Hoffnungen
Pro Kopf stehen den Flüchtlingen ein Bett, ein Schrank, ein Kühlfach und ein weiteres Fach für Lebensmittel zur Verfügung. Stauraum gibt es in der Unterkunft kaum. «Wer zu viel mitbringt, muss sich trennen», erklärt Zentrumsleiterin Hazal Gökçen von der Firma ORS Service AG, die für Betrieb und Betreuung zuständig ist.
«Einige sind komplett schockiert», sagt Gökçen. Sie habe meist ein paar Servietten oder Taschentücher für Tränen dabei, wenn sie Neuankömmlinge in die Zimmer begleite. Die meisten hätten es sich anders vorgestellt. Ein Türke etwa zeigt sich enttäuscht von der Schweiz. Er habe nicht erwartet, dass ein Land mit so hohen Lebensstandards wie die Schweiz Familien so unterbringe, sagt er.
Die Dokumentation zeigt auch, wie wichtig das Verhältnis zwischen den Geflüchteten und dem Betreuungspersonal ist. So sprechen etwa viele der Mitarbeitenden die Sprache der Asylsuchenden. «Der Ort ist schlecht, aber das Personal ist gut», sagt ein Vater aus Afghanistan. Die Betreiberfirma ORS gibt auf Anfrage an, dass rund die Hälfte ihrer Mitarbeitenden einen Migrationshintergrund hätten, darunter Personen mit eigenem Fluchthintergrund.
Kanton verweist auf hohe Zahl an Asylgesuchen
Der Kanton Aargau sehe sich aufgrund der hohen Asylzahlen gezwungen, auf Einrichtungen wie diese zurückzugreifen, sagt Pia Maria Brugger, zuständig für Asylfragen beim Kanton. Sie betont, dass die Räumlichkeiten offiziell geprüft und abgenommen seien und absichtlich nicht voll belegt. Aktuell sei die Anlage nur zu rund einem Drittel belegt.
Pia Maria Brugger sagt auch: «Wir haben vollstes Verständnis für die Situation der Bewohnerinnen und Bewohner und die Kinder, die hier sind.»
Brugger betont, man nehme die Anliegen sehr ernst und achte darauf, dass die Menschen nicht länger als sechs Monate in der Unterkunft bleiben müssten. Doch in Einzelfällen könne es auch mal länger dauern. Brugger sagt: Gerade für Familien sei die Situation auf kantonaler Ebene prekär – nahezu alle Strukturen seien vollständig ausgelastet.