Pluto, so heisst die neue Jugend-Notschlafstelle in Bern. Seit vergangenem Freitag ist das neue Angebot geöffnet. 365 Nächte im Jahr steht die Jugend-Notschlafstelle offen.
Jugendliche und junge Erwachsene ab 14 Jahren können hier gratis übernachten. Zum Beispiel dann, wenn sie in einer Krisensituation stecken und keine sichere Schlafmöglichkeit mehr zur Verfügung haben.
Mehrere Personen nutzen Angebot kurz nach Eröffnung
Insgesamt stehen jede Nacht 7 Schlafplätze zur Verfügung. Nur vier Nächte nach Eröffnung haben bereits drei jungen Menschen die neue Jugend-Notschlafstelle genutzt, sagt Sozialpädagoge Robert Sans.
Die jugendliche Person kann freiwillig und spontan zu uns kommen. Sie kann hier gratis übernachten, bekommt eine warme Mahlzeit und sie kann, wenn sie das will, eine Beratung in Anspruch nehmen.
Das Haus an der Studerstrasse im Berner Quartier Äussere Enge erreicht man vom Bahnhof zu Fuss in 25 Minuten. In der Notschlafstelle arbeiten jede Nacht zwei Personen vor Ort, eine Sozialpädagogin oder ein Sozialpädagoge sowie eine weitere geschulte Betreuerin, die die Jugendlichen bei Bedarf fachlich beraten und sie bei der Suche nach Anschlusslösungen unterstützen.
Einzelzimmer sollen Schutz bieten
Im Gegensatz zu einer Notschlafstelle für Erwachsene, wo meistens ausschliesslich Mehrbettzimmer mit einfachen Kajütenbetten zur Verfügung stehen, gibt es in der Jugend-Notschlafstelle Pluto ausschliesslich Einzel- und Doppelzimmer. Das könnte man sagen: ein ziemlicher Luxus für eine Notschlafstelle, oder? «Jein», meint Sozialpädagoge Robert Sans: «Wenn wir Nutzer:innen haben, die von Gewalt und sexualisierter Gewalt betroffen sind, ist es wichtig, ihnen mit einem Einzelzimmer einen sicheren und geschützten Ort zu bieten.»
Nebst einem geschützten Schlafplatz gibt es für die Jugendlichen auch die Möglichkeit, zu duschen, ihre Kleider zu waschen und sich zu verpflegen. Jeden Abend gibt es zudem eine warme Mahlzeit und am Morgen ein Frühstück. Wichtig sei, dass sich die Nutzer:innen frei bewegen könnten – ohne Zwang, so Sans.
Das Pilotprojekt dauert 3 Jahre. Kostenpunkt: 2 Millionen Franken. Finanziert wird es durch Spenden, Stiftungen, die Kirche und die öffentliche Hand.
«Ich lebte mit 14 Jahren in Bern unter einer Autobahnbrücke»
Mia* möchte anonym bleiben. Heute ist sie 19 Jahre alt. Bereits mit 14 Jahren wurde sie obdachlos. Sie hat 5 Jahre allein in Bern auf der Strasse gelebt. Nach mehreren Klinikaufenthalten und Konflikten zuhause hielt sie es nicht mehr aus, brach die Schule ab und lief von zuhause weg.
Am Abend bin ich am Bahnhof in Bern gestanden – mit Zelt und Schlafsack und da habe ich gedacht: und jetzt?
Dann habe sie sich einen Schlafplatz unter einer Autobahnbrücke gesucht, erinnert sich Mia: «Dort habe dann ich das Zelt aufgeschlagen und ich hatte noch ein paar Kerzchen dabei, damit ich etwas Licht hatte».
5 Jahre als Jugendliche allein auf der Strasse
Aus dieser einen Nacht wurden 5 Jahre. Das Essen hat sich Mia mit Betteln beschafft. Manchmal habe sie bei Kollegen übernachtet, manchmal in der Not auch bei fremden Leuten, die sie auf der Strasse kennengelernt hatte. Notschlafstellen gabs damals in Bern nur für Erwachsene. Mia hätte sich damals ein Angebot für Jugendliche gewünscht.
Ich hätte mir damals einen Ort gewünscht, wo ich hätte hingehen können über Nacht.
Bis 18 hat Mia schliesslich auf der Strasse gelebt, bis sie schwanger wurde. Seit einem halben Jahr wohnt sie nun mit ihrem Kind in einer eigenen Wohnung und hat Unterstützung von der Sozialhilfe. Mia will jetzt bald eine Ausbildung machen – sie sagt: «Am meisten interessiert mich etwas im Bereich Immobilien».
(* Name der Redaktion bekannt.)