Trotz angespannter Corona-Lage hat der Bundesrat Lockerungen beschlossen – auch für die Gastronomie. Ab Montag dürfen Restaurants unter strengen Auflagen ihre Terrassen öffnen. Rudi Bindella jr. leitet das Gastro-Familienunternehmen Bindella. Er begrüsst den Entscheid des Bundesrats – damit der Motor wieder läuft, brauche es aber eine vollständige Öffnung. Und eine Kundschaft, die ohne Angst ins Restaurant geht.
SRF News: Sie plädieren seit langem für eine vollständige Öffnung der Restaurants. Jetzt können Sie «nur» die Terrassen wieder öffnen. Was dominiert bei Ihnen: Erleichterung oder Verärgerung?
Rudi Bindella: Ich bin leidenschaftlicher Gastronom. Insofern ist die Freude gross, dass wir wieder tätig sein dürfen. Das gibt uns eine Perspektive. Wir begrüssen die überfällige Öffnung der Aussenflächen. Sie bringt Leben zurück in die Restaurants und diese bringen Leben in die Stadt. Die Freude ist aber verhalten. Es ist Freud und Leid in einem.
Es geht auch um die psychischen Auswirkungen für die Mitarbeitenden. Ihnen fällt nach bald vier Monaten zu Hause die Decke auf den Kopf.
Rechnet sich die Öffnung der Terrassen überhaupt?
Nur die Öffnung der Terrassen rechnet sich nicht. Der emotionale Wert einer solchen Öffnung ist für uns viel grösser. Wir möchten arbeiten, die Mitarbeitenden möchten für die Gäste da sein. Das ist der Grund, weshalb wir uns entschieden haben, nicht die ganze Gastronomie, aber einen gewissen Teil zu öffnen. Wir befinden uns auch noch in einer kälteren Jahreszeit. Entsprechend wird die Kundschaft eher verhalten zurückkehren.
Kein Wirt muss öffnen. Die Hilfsprogramme des Bundes laufen trotz des Lockerungsentscheids des Bundesrats weiter. Die Bindella-Betriebe haben rund 1000 Mitarbeitende in Kurzarbeit, Sie können von den Bundeshilfen profitieren: Warum lassen Sie Ihre Terrassen nicht einfach geschlossen?
Das hat mit dem Berufsstolz und der Freude am Arbeiten zu tun. Zudem geht es um die psychischen Auswirkungen für die Mitarbeitenden. Ihnen fällt nach bald vier Monaten zu Hause die Decke auf den Kopf. Aus Zuschriften spüren wir auch, dass unsere Gäste grosse Lust haben, zurückzukehren.
Der Motor soll wieder so drehen wie früher, dann können irgendwann auch Schulden zurückbezahlt werden. Das braucht aber Zeit und Geduld.
Wenn man öffnen kann, es aber nicht macht, verspielt man auch Goodwill. Als leidenschaftliche Gastgeber wollen wir das nicht und kommen mit einem ersten Schritt zurück – auch wenn es sich nicht rentiert.
Auch wenn Restaurants bald wieder ganz öffnen könnten, dürfte die Situation für viele Gastronomen noch lange angespannt bleiben. Was bräuchte es, damit sich die Lage der Branche möglichst rasch wieder verbessert?
Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung durch die Kurzarbeit. Das Instrument ist sehr effizient. Wir mussten deswegen auch keine Mitarbeitenden entlassen. Schlussendlich ist es aber das Wichtigste, dass wir die Betriebe wieder komplett öffnen dürfen. Schön wäre, wenn auch die Angst bei den Gästen verschwinden würde. Der Motor soll wieder so drehen wie früher, dann können irgendwann auch Schulden zurückbezahlt werden. Das braucht aber Zeit und Geduld.
Wäre eine Strukturbereinigung in der Gastrobranche wirklich so schlimm? Es ist ja bekannt, dass es viele Restaurants gibt, die längerfristig schlechte Überlebenschancen haben – auch in normalen Zeiten.
In einer freien Marktwirtschaft muss der Markt die Struktur bereinigen – und bestimmt nicht ein Virus. Es kann nicht als Grund dafür vorgeschoben werden, dass es zu viele Gastronomie-Betriebe gibt. Es gibt auch zu viele Coiffeursalons, Fitnesscenter, Kinos etc. Man kann nicht dieses Virus als Argument nehmen, dass es gut sein soll, dass es eine Bereinigung gibt.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.