Bei der Produktion von Beton entstehen grosse Mengen CO2. Deshalb wird Beton auch immer mal wieder als Klimakiller bezeichnet. Bau und Gebäude sind laut neusten Zahlen des Umweltprogramms der UNO (UNEP) für einen Treibhausgas-Ausstoss von rund 10 Gigatonnen pro Jahr verantwortlich. Das sind 38 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit, die bei Energie-Produktion oder Verbrauch entstehen.
Gebäude verursachen im Betrieb – beim Heizen und Kühlen – Treibhausgase, aber auch bereits im Bau. Dabei schlägt insbesondere die Verwendung von Stahl und Beton negativ zu Buche.
Die Wahl der Baumaterialien kann die Klimabilanz eines Gebäudes über die ganze Lebensdauer also stark beeinflussen. Holz, Lehm und andere alternative Materialien sind in der Regel klimafreundlicher. Doch auch beim Beton gäbe es grosses Reduktionspotential.
Auch Sand und Kies sind endlich
Ein Schweizer Pionier in der Branche ist die Zürcher Firma Eberhard. Im Industriequartier von Oberglatt nördlich der Stadt Zürich hat sie ihren Standort auf einer ehemaligen Altlastendeponie. Patrick Eberhard führt seit kurzem zusammen mit seinen Brüdern in dritter Generation das Familienunternehmen. Kreisläufe zu schliessen sei von je her die Mission ihres Unternehmens gewesen, sagt er.
Tatsächlich sind die Zahlen eindrücklich: 7.5 Millionen Tonnen Bauabfälle fallen jedes Jahr an in der Schweiz. Zum Vergleich: Die Haushalte werfen nicht einmal halb so viel weg.
Gleichzeitig werden jedes Jahr rund 26 Millionen Tonnen Kies und Sand in der Natur abgebaut – und dann wieder in Häusern, Brücken, Tunnels verbaut. Zwar kommen Sand und Kies sogar in der sonst rohstoffarmen Schweiz in grossem Masse vor. Doch die bestehenden Abbaugebiete decken den Bedarf laut einem neuen Bericht des Bundesamtes für Umwelt noch für rund drei Jahre.
Der Kreislauf-Beton
Der Widerstand gegen Erweiterungen wächst, der Druck, Kreisläufe zuschliessen, entsprechend auch. «Was gibt es Schöneres, als da irgendwie weiterzukommen in Richtung einer nachhaltigeren Gesellschaft?», fragt Beton-Produzent Patrick Eberhard. Aktuell ist das Betonwerk der Firma Eberhard in Oberglatt selbst eine Baustelle. Ein riesiges neues Sortierzentrum ist am Entstehen.
Eine hochmoderne Anlage, die Bauschutt so fein sortieren soll, dass aus den getrennten Materialien wieder Beton hergestellt werden kann. Vorzeigeprodukt ist dabei gemäss Patrick Eberhard der erste zirkuläre Beton, der Zirkulit. Dieser besteht zu drei Vierteln aus Beton aus abgebrochenen Gebäuden. Kommt dazu: Zirkulit nimmt CO2 auf.
Ein Beton, der CO2 aufnimmt?
Dazu mache man sich eine besondere Eigenschaft des wiederaufbereiteten alten Betons zunutze, erklärt der junge Firmeninhaber: «Der alte Beton hat eine Restaktivität in den Poren, an den Oberflächen, die mit CO2 zu Kalkstein reagieren. Dieser Kalkstein ist eine sehr stabile Verbindung. Und so können wir langfristig CO2 speichern.»
Die Technologie hat noch Potenzial!
Die Technologie habe noch Potenzial, ist Patrick Eberhard überzeugt. Aktuell können pro Kubikmeter Beton erst rund 10 Kilogramm CO2 gespeichert werden – wenig im Vergleich zu den rund 200 Kilogramm CO2, die entstehen bei der Produktion des Kubikmeters Beton, vor allem wegen des Zements, der drin ist.
Unter dem Strich ist der zirkuläre Beton also ein Schritt in die richtige Richtung: ein grosser, was die Schonung von natürlichen Ressourcen wie Kies und Sand angeht, ein eher kleiner aus Klimasicht.
Fürs Klima ist der Zement relevant
Keine 20 Kilometer entfernt forscht Frank Winnefeld in der Abteilung Beton und Asphalt der Empa in Dübendorf auch an unterschiedlichen Betontypen. Der Zirkulit sei ein spannendes Produkt, sagt er. Weltweit forschten Institute und Unternehmen an ähnlichen Produkten.
Aus Klimasicht wichtiger als der Beton insgesamt sei das Bindemittel, das Sand und Kies zusammenhält: der Zement. Dieser ist für rund 90 Prozent der Treibhausgasemissionen von Beton verantwortlich. Zur Herstellung von Zement werden Kalk und Mergel auf 1450 Grad erhitzt, was äusserst energieintensiv ist. Dabei setzt der Kalkstein unter Hitze nochmals grosse Mengen CO2 frei. Um dieses Problem zu lösen, kann das CO2 direkt am Entstehungsort abgefangen und in den Boden gepresst werden.
Es ist noch viel Forschungsarbeit erforderlich, um einen wirtschaftlichen Herstellungs-Prozess zu entwickeln.
Die sogenannte «Carbon Capture and Storage»-Technologie funktioniert, ist aber noch sehr kostspielig. Empa-Forscher Frank Winnefeld findet, man sollte den Zement grundsätzlich neu denken. Es gäbe nämlich klimafreundlichere Alternativen: zum Beispiel Magnesium-Carbonat-Zemente. Dazu nimmt man Magnesium-Silikate und lässt sie CO2 binden. Das entstehende Bindemittel wäre unter dem Strich also gar CO2-negativ. «Das Ganze steckt noch in den Kinderschuhen und es ist sicherlich noch viel Forschungsarbeit erforderlich, um auch einen wirtschaftlichen Herstellungsprozess zu entwickeln», räumt der Empa-Forscher aber ein.
CO2-Binden kostet – noch
Die Wirtschaftlichkeit ist auch beim zirkulären Beton der Firma Eberhard nicht gegeben, noch nicht. Das CO2, das Patrick Eberhard in seinem neuartigen Beton binden will, muss er derzeit aus Deutschland importieren und bezahlen, weil es in der Schweiz – wie er sagt – keine Quelle von transportfähigem, biogenem CO2 gebe.
Das habe ihn schon erstaunt, erzählt der junge Unternehmer: «Ich habe den Lieferanten mal angerufen und gefragt: ‘Wie viel zahlt ihr mir, wenn ich euch das CO2 abnehme?’ Am anderen Ende der Leitung hat jemand gelacht und gesagt: ‘Sie zahlen mir!’ Entsprechend muss der Kunde für das Endprodukt, den zirkulären Beton mindestens 20 Prozent mehr bezahlen als für herkömmlichen. Trotzdem gebe es Interessenten. Ein erstes Geschäftshaus in Zürich soll im Frühling mit Zirkulit gebaut werden.
Technisch gäbe es also schon heute viele Möglichkeiten, den Beton klimafreundlicher und zugleich sparsamer im Umgang mit Rohstoffen zu gestalten. Noch wird aber wirtschaftlich kaum belohnt, wer sich dafür einsetzt.