Situation in der Schweiz: Seit rund zehn Jahren breitet sich die aus dem Schwarzen Meer stammende Quaggamuschel (Dreissena rostriformis) in Schweizer Seen und Flüssen aus. Die invasive Art hat bereits vielerorts Fuss gefasst. Anders als in ihrer ursprünglichen Heimat ist sie in den tiefen Seen des Alpenvorraums gut vor natürlichen Feinden geschützt.
Invasion der Quaggamuschel in Nordamerika: Während sie in der Schweiz erst 2014 nachgewiesen wurde, breitet sich die Quaggamuschel in den Seen Nordamerikas seit den späten 1980er-Jahren aus. Dort verursacht sie unter anderem Probleme bei Wasserentnahmesystemen, da sie deren Rohre verstopft und so Schäden in Millionenhöhe verursacht. Zudem verändert die Muschel in bestimmten Gewässern die Nährstoffdynamik massgeblich – sie bringt das Ökosystem durcheinander.
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Bild 1 von 3. Kalifornien. Bestimmte Boote, die in den Castaic Lake bei Los Angeles einfahren, werden mit Hunden unter anderem auf Quaggamuscheln untersucht. Laut offiziellen Angaben soll dort die Art aus Russland eingebracht worden sein. Bildquelle: IMAGO/ZUMA Wire/HO.
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Bild 2 von 3. Colorado. Ein Schild in der Curecanti National Recreation Area im US-Bundesstaat Colorado warnt, dass Kontrollen auf invasive Arten erforderlich sind. Auch hier sind Quaggamuscheln seit Jahren ein Problem. Bildquelle: IMAGO/ZUMA Wire/Jim West.
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Bild 3 von 3. Illinois. Quagga- und weitere Muschelschalen an der Küste von Chicago. Die Art gilt auch im weltweit zweitgrössten Süsswassersee Lake Michigan als invasiv. Bildquelle: IMAGO/ZUMA Wire/Erin Hooley.
Wissenschaftlicher Vergleich: Das Ausbreitungsmuster in Nordamerika lässt sich auch auf die Schweiz anwenden. Zu diesem Schluss kommt eine neue Untersuchung zur Verbreitung der Quaggamuschel des ETH-Wasserforschungsinstituts Eawag sowie der Universitäten Genf und Konstanz. Forschende haben darin Daten aus vier der fünf grossen Seen Nordamerikas (Huron, Ontario, Michigan und Erie) mit Daten aus drei Schweizer Seen (Bodensee, Genfersee und Bielersee) verglichen.
Die Quaggamuschel breitet sich in der Schweiz aus
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Bild 1 von 5. Die Quaggamuschel breitet sich explosionsartig aus. Zehntausende pro Quadratmeter sind es schätzungsweise an bestimmten Orten im Bodensee. Bildquelle: Eawag/L. Haltiner.
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Bild 2 von 5. Als kleine Larven gelangen die Quaggamuscheln leicht an schwer zugängliche Orte – zum Beispiel Wasserleitungen in grosser Tiefe. Bildquelle: Eawag/S. Käser.
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Bild 3 von 5. Quaggamuscheln gelangen auch von einem See in den anderen. Sie kleben beispielsweise an Bootsrümpfen. Bildquelle: Kanton Bern.
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Bild 4 von 5. Sie verwenden ein Sekret, um sich festzuhalten. Sobald es mit Wasser in Berührung kommt, verhärtet sich das Sekret. So können ganze Muschelbänke entstehen, wie hier im Genfersee. Bildquelle: Eawag/L. Haltiner.
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Bild 5 von 5. Forschende untersuchen die Quaggamuschel-Biomasse im Labor. Bildquelle: Eawag/Esther Michel.
Blick in die Zukunft: «Wir befürchten, dass die Präsenz der Quaggamuschel einschneidende Folgen für unsere Seeökosysteme haben wird und diese möglicherweise aus dem Gleichgewicht bringt», so Eawag-Forscher Piet Spaak mit Blick auf die Beobachtungen aus Nordamerika. Gemäss der Studie dürfte die Biomasse pro Quadratmeter in den nächsten 22 Jahren um das Neun- bis Zwanzigfache zunehmen. Es drohe eine Kettenreaktion:
- Rückgang des Planktons
- Zunahme der Sichttiefe
- Nährstoffabnahme im Freiwasser
- Veränderung des Nahrungsnetzes
- Rückgang von Fischbeständen
- Muschelschalen im Uferbereich
- Erhöhter Wartungsaufwand und Kosten, zum Beispiel für Fischerei
Schwierige Bekämpfung der Quaggamuschel: In bereits befallenen Seen könne die Dynamik nicht mehr aufgehalten werden, so die Forschenden. «Das ist leider eine schlechte Nachricht für die tiefen Seen des Alpenvorraums, die von der Quaggamuschel betroffen sind», meint Experte Spaak. Auch noch nicht befallene Gewässer wie etwa der Zürichsee oder der Vierwaldstättersee könnte das bald angehen: Denn die Muschel reist als «blinder Passagier» am Rumpf von Booten oder im Kühlwasser mit.
Notwendiges Handeln: «Mit geeigneten Massnahmen, zum Beispiel einer Reinigungspflicht für Boote und gezielten Informationskampagnen, könnte die Ausbreitung in neue Gewässer noch verhindert werden», so Spaak. Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee fordert beispielsweise:
- Kontrollieren Sie, dass keine Rückstände von Schlamm, Pflanzenmaterial oder Tieren an Bootsrumpf, Anker, Tauen, Sport- und Fischereiausrüstung zurückbleiben.
- Reinigen Sie Boote, Sport- und Fischereiausrüstung mit sauberem Wasser, wenn möglich heisses Wasser, und einem Hochdruckreiniger. Auf ablaufendes Schmutzwasser achten.
- Leeren Sie Bilge und wassergefüllte Behältnisse am Ursprungsgewässer.
- Trocknen Sie Boote und Ausrüstung vollständig für mindestens vier Tage, bevor Sie in ein anderes Gewässer wechseln.